Praxen machen dicht

Am Mittwoch protestieren Berliner Hausärzte gegen Streichung von Pauschalen

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 4 Min.

Am Mittwoch müssen sich Berliner*innen, die spontan eine Arztpraxis aufsuchen wollen, vorher informieren, ob diese überhaupt geöffnet hat. Geht es nach der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Berlin, bleiben am 7. September nämlich viele Praxen geschlossen. Die Landes-KV ruft die niedergelassenen Ärzt*innen der Hauptstadt zu einem »Aktionstag« auf, mit dem sie gegen Pläne des Bundesgesundheitsministeriums protestieren will.

Da viele Ärzt*innen in diesem Rahmen an einer KV-Fortbildungsveranstaltung teilnehmen sollen, hat der Verband sie aber dazu aufgefordert, für Akutfälle eine Vertretung zu organisieren und nach eigenen Angaben für den Tag Notdienstregelungen vereinbart. Unter anderem öffnen acht der insgesamt elf KV-Notdienstpraxen außer der Reihe, darunter die KV-Notdienstpraxen an den Standorten des landeseigenen Vivantes-Klinikums sowie an zwei Charité-Standorten, am DRK-Klinikum im Westend und am Jüdischen Krankenhaus in Mitte. Darüber hinaus wird der Ärztliche Bereitschaftsdienst der KV Berlin in seiner Leitstelle und beim fahrenden Hausbesuchsdienst am 7. September seine Kapazitäten erhöhen.

Grund für den Ärger der Niedergelassenen und ihrer Vertretung ist demnach die vom Bundesministerium angekündigte Streichung der sogenannten Neupatientenregelung. Diese, so die KV, stelle seit 2019 sicher, dass niedergelassene Ärzt*innen für die Behandlung neuer Patient*innen, die sie – zusätzlich zu ihrem »Patientenstamm« – aufnehmen, ein nicht abgestaffeltes Honorar erhalten. »Sollte es zur angekündigten Streichung der Neupatientenregelung kommen, hätte dies aus Sicht der KV Berlin massive Auswirkungen: Die medizinische Versorgung gerade der Neupatient*innen wäre dann nur noch eingeschränkt möglich«, befürchtet man in einer kürzlich veröffentlichten Erklärung. Die Patient*innen müssten dann wieder länger auf Termine warten, und die Suche nach einer neuen Praxis werde sich deutlich schwieriger gestalten, heißt es weiter.

»Während man den Patienten die Verschlechterung der medizinischen Versorgung zumutet, würde ein solcher Schritt zudem mit einem massiven Vertrauensverlust und einer erheblichen Frustration seitens der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen einhergehen«, erklären Vorstand und Vertreterversammlung. Die Neupatientenregelung sei ein wichtiges Instrument in den Praxen und habe sich bewährt. »Selbst der heutige Bundesgesundheitsminister bewertete die Neupatientenregelung als wichtig, nannte sie 2019 sogar einen Schritt weg von der Zwei-Klassen-Medizin. Wenn seine damalige Aussage richtig war, dann ist dies eine Rolle rückwärts hin zu einer Zwei-Klassen-Medizin«, heißt es weiter.

In einem Brief an die niedergelassenen Ärzt*innen erklärt der Verband, dass ein entsprechendes Gesetz bedeute, dass Leistungen, die bei Neupatient*innen erbracht würden, nicht mehr voll vergütet würden. »Wenn es nach den Krankenkassen geht, dann werden auch die erbrachten Leistungen bei Patient*innen, die wir in der offenen Sprechstunde behandeln, nur noch teilweise bezahlt«, befürchtet die Vertretung weiter.

Auch von Nullrunden sei im Zusammenhang mit dem Gesetzesentwurf die Rede. Andererseits bleibe bislang vollkommen ungeklärt, »wie aktuell in den Praxen eine nie dagewesene Kostensteigerung zu bewältigen sein wird«. Derzeit würden die Bestellungen von medizinischen Geräten pauschal mit einem Aufschlag von zehn Prozent versehen und Heiz- sowie Stromkosten absehbar weiter kräftig ansteigen. Das stellt auch viele Arztpraxen vor große Probleme.

Auch die Ärztekammer Berlin unterstützt den Aufruf. Der Protest der Ärzt*innen gegen die Sparpläne des Bundesgesundheitsministeriums sei notwendig, erklärt das Gremium. »Für mich wiegt es zudem schwer, dass uns Ärzt*innen durch die Streichung der extrabudgetierten Vergütung von Neupatient*innen letztlich wieder Zeit mit unseren Patient*innen genommen wird«, sagt dazu Peter Bobbert, Präsident der Ärztekammer Berlin. Es sei nicht hinnehmbar, dass in Zeiten der Pandemie ambulant tätigen Ärzt*innen Gelder gestrichen werden, die für die Aufrechterhaltung ihrer Praxistätigkeit »immens wichtig« seien. In Berlin sind durchschnittlich 23,7 Prozent aller behandelten Patient*innen Neupatient*innen.

Ebenfalls am Mittwoch um 15 Uhr demonstrieren Medizinische Fachangestellte (MFA) und Zahnmedizinische Fachangestellte (ZFA) am Brandenburger Tor für bessere Arbeits- und Lohnbedingungen, »höhere Wertschätzung und eine angemessene Anerkennung ihrer Leistungen in der Patientenversorgung«, wie es beim Berufsverband VMF heißt. Seit 2021 bis einschließlich 2023 sollen deren Löhne um insgesamt 12 Prozent steigen. Die KV unterstützt die Aktionen der Beschäftigten, verweist aber zugleich auf die damit verbundenen Mehrkosten für die Hausärzt*innen.

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