Wissenswert und debattenorientiert

Neues Heft der »BzG« erschienen

  • Gerhard Engel
  • Lesedauer: 3 Min.

Dem historisch wie politisch interessierten Lesepublikum sei auch das neue Heft der »Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung« zu empfehlen. Es greift nicht nur Themen im Gleichklang mit dem Titel der Zeitschrift auf, sondern lenkt die Aufmerksamkeit gleichermaßen auf aktuelle historische und politische Aspekte im Zusammenhang mit der akuten Gefährdung des Weltfriedens angesichts der Aggression Russlands gegen die Ukraine. Zudem vermittelt es wieder profundes Wissen über die deutsche Nachkriegsgeschichte, insbesondere über die Eingliederung der DDR in die Bundesrepublik.

Jörg Wollenberg äußert er sich zu »Hintergründen der Ukraine-Krise, ergänzt um «Erinnerungen an verdrängte ›Sündenfälle‹ deutsch-ukrainischer Geschichte». Er breitet in der gegenwärtigen Debatte wenig beachtete Fakten aus, geht der Frage nach, wie das historische Verhältnis zwischen Russland und der Ukraine zum brandgefährlichen Pulverfass wurde und wirft auch einen Blick auf die deutsche Besatzungspolitik in der Ukraine während des Zweiten Weltkrieges und das Fortwirken von Mythen.

Yana Milev knüpft an die These von Ralph Giordano an, der die «zweite Schuld» der Deutschen in der Verdrängung und Leugnung ihrer «ersten Schuld» sah, das Verhalten der Mehrheit während der Hitler-Diktatur. Die Kulturwissenschaftlerin erweitert diesen Blick durch ihre These von einer «dritten Schuld»: die Art und Weise der Vereinnahmung der DDR durch die Bundesrepublik mit gravierenden ökonomischen, sozialpsychologischen und mentalen Folgen für die Mehrheit der ehemaligen Bürger der DDR, mit der ahistorischen Gleichsetzung der SED-Herrschaft mit dem NS-Regime und einem apologetischen Geschichtsrevisionismus.

Gegen den Mainstream der «Aufarbeitung der DDR-Geschichte» rebelliert auch der Beitrag von Ulrich van der Heyden. Der Kolonialhistoriker analysiert in einer Fallstudie, wie aus Fake News über einen angeblich rassistisch motivierten Mord an einem mosambikanischen Gastarbeiter in der DDR eine den Geschichtsrevisionismus beflügelnde mediale Kampagne inszeniert wurde. Hartmut Henicke hat einige kritische Anmerkungen zu den von Jörn Schütrumpf edierten Schriften, Reden und Briefen von Paul Levi, während Günter Wehner den 80. Jahrestag des Protests der antifaschistischen Widerstandsgruppe um Herbert Baum gegen die 1942 im Berliner Lustgarten gezeigte antisowjetische Propagandaschau des Nazi-Regimes würdigt. Es folgen ein Bericht von Holger Czitrich-Stahl über die 56. Linzer Tagung zur Geschichte der Arbeiterbewegung sowie ein Nachruf auf den zu Beginn dieses Jahres verstorbenen Historiker Ingo Materna, in dem dessen Verdienste um die Historiografie zur deutschen Arbeiterbewegung herausgehoben wird. Annotationen und Rezensionen beschließen das Heft, das ein erfreulich frisches Gesicht zeigt, nicht zuletzt durch die Beigabe von Fotos und Faksimiles.

Beiträge zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Heft 2/2022, Trafo, 180 S., br., 16 €; zu bestellen über den Verlag: Dr. Wolfgang Weist, Finkenstr. 8, 12621 Berlin, info@trafoberlin.de

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