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Lernen im Eiltempo

Frankfurts Fußballern fehlt bei ihrer Premiere in der Champions League die Effizienz

  • Frank Hellmann, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 4 Min.

Kevin Trapp spielt lange genug bei Eintracht Frankfurt, um das laute Verlangen aus der Nordwestkurve nicht zu ignorieren. Bloß aus sicherem Abstand artig Applaus für die famose Unterstützung zu spenden kam für den Keeper und Kapitän nicht infrage. Fans und Spieler stehen in diesem Verein eng zusammen – in guten wie in schlechten Tagen. Wer gemeinsam feiern kann, muss auch zusammen leiden. Also schickte der Nationaltorwart nach der bitteren Niederlage gegen Sporting Lissabon (0:3) seine Mitspieler mit ausladenden Handbewegungen weiter nach vorne, ehe der 32-Jährige selbst mit den Ultras in den Dialog trat. Schon bei der Ehrenrunde hatten die Eintracht-Profis ja vernommen: Auch eine Heimpleite zur Premiere in der Champions-League reißt nicht sofort alles ein, was der Europa-League-Sieger sich aufgebaut hat, wobei der – einst mit Paris St. Germain – von Tiefschlägen auf dieser Bühne durchgeschüttelte Trapp am besten wusste, welche Essenz diesen stimmungsvollen wie ernüchternden Sommerabend im Frankfurter Stadtwald umhüllte: »Das ist das Lehrgeld, das du auf diesem Niveau bezahlst.«

Noch deutlich formulierte Trainer Oliver Glasner die erste Erfahrung: »Es war ein Sieg der Effizienz. Sie haben uns knallhart abgeschossen. Das tut weh, aber wird uns nicht umwerfen, sondern wir werden viel daraus ziehen.« Allerdings sind rasche Lernfortschritte gefragt. Eine weitere Niederlage am kommenden Dienstag bei Olympique Marseille ist im Grunde schon verboten, soll das schöne Kapitel Königsklasse für die Eintracht nicht bereits in zwei Monaten beendet sein, wenn die wegen der Winter-WM in Katar im Rekordtempo durchgepeitschte Gruppenphase enden wird. Die Anhängerschaft hatte bereits mit Abpfiff die Zeichen der Zeit erkannt. »Auswärtssieg, Auswärtssieg«, skandierte das hessische Publikum, das sich in beträchtlicher Zahl in die südfranzösische Hafenstadt aufmachen wird. Rückendeckung von Abertausenden würden die Frankfurter wohl auch in Alaska erhalten.

»Das ist ein Gänsehaut-Moment. Der Support ist unglaublich«, sagte der Schweizer Nationalspieler Djibril Sow, der gemeinsam mit seinem neuen Mittelfeldkollegen Eric-Junior Dina Ebimbe in der entscheidenden Phase allerdings nicht in der Lage gewesen war, die zentralen Löcher zu stopfen, die ausgebuffte Gäste zu fein herauskombinierten Kontertoren von Marcus Edwards (65.), Francisco Trincão (67.) und Nuno Santos (82.) nutzten. Sow sprach von einem »Blackout«. Als habe jemand wegen der Energiekrise diesem energetischen Ensemble den Stecker gezogen. Im Sparmodus kommt auf diesem Niveau aber niemand weiter. Selbst der vielseitige Mittelstürmer Randal Kolo Muani, der nach nicht einmal 90 Sekunden die Chance zum Führungstreffer vergab, stieß beim Debüt in der Königsklasse auf einmal an natürliche Grenzen.

So versuchte es Glasner hinterher mit einer kämpferischen Botschaft: »Wir nehmen den Kopf hoch und weiter geht’s. Das Ergebnis darf uns nicht zermürben.« Er habe gelesen, erzählte der Österreicher, dass seit einem Vierteljahrhundert kein Champions-League-Neuling mehr die Gruppenphase überstanden habe. »Wir wollen die Ersten sein.« Der 48-Jährige klang so, als wolle er am liebsten morgen in Marseille alles besser machen, aber dummerweise ist am Wochenende erst mal wieder Bundesliga-Alltag angesagt. Mit dem VfL Wolfsburg kommt zum dritten Heimspiel binnen acht Tagen jener Fußballlehrer zurück in den Stadtwald, der die vielen, vielen schönen Europapokalnächte am Main erst möglich gemacht hat.

Wenn nicht Niko Kovac den Klub über die Relegation 2016 in der Liga und vor seinem Abgang zum FC Bayern 2018 noch zum Pokalsieg geführt hätte, wäre die Traumreise durch Europa nie gestartet worden. Glasner wiederum hat im vergangenen Jahr die Bundesliga ziemlich schleifen lassen und alles auf die Europa League gesetzt – mit bekanntem Happyend in Sevilla. In dieser Saison aber verlangen seine Vorgesetzten, den deutlich breiter aufgestellten Kader wettbewerbsübergreifend an neue Leistungsgrenzen zu führen. Sportvorstand Markus Krösche hat das am Mittwochabend sehr geschickt formuliert, als er sagte: »Die Jungs haben eine Erfahrung gegen einen guten Gegner gemacht, der schon über Jahre in dem Wettbewerb spielt. Wir können daraus viele Sachen für die Bundesliga mitnehmen.«

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