Freispruch für Wut-Bauer

Gericht: Protest mit Hammer kein Aufruf zur Gewalt

  • Dieter Hanisch
  • Lesedauer: 2 Min.

Das Amtsgericht in Husum musste entscheiden: Aufruf zu einer womöglich Gewalt in Kauf nehmenden Selbstjustiz oder zulässige Provokation als Form der Meinungsverbreitung? Der nordfriesische Wut-Bauer Jann-Henning Dircks verließ das Gerichtsgebäude schließlich als freier Mann.

Der Landwirt saß seit dem Vormonat auf der Anklagebank, weil er in einem Kurzvideo am 2. November 2020 dazu aufgerufen hatte, sich auf den Weg nach Kellinghusen (Kreis Steinburg) zu begeben, um sich dort einer Blockade gegen einen zur Tönnies-Gruppe gehörenden Schlachthof entgegenzustellen. Ungefähr drei Dutzend Tierrechtsaktivisten hatten sich dort seit den frühen Morgenstunden teilweise angekettet. Besonders brisant: Dircks hatte in seinem Video die Empfehlung ausgesprochen, Akku-Flex, Vorschlaghammer und Bolzenschneider mitzunehmen. Darin erkannte die Staatsanwaltschaft Flensburg einen öffentlichen Aufruf zur Begehung von Straftaten.

Die Tierrechtsaktivisten hatte der Landwirt zudem als »Pack« bezeichnet. In Kellinghusen angekommen, richtete Dircks sich zudem in Begleitung anderer aufgebrachter Bauern an die dort ihren Dienst verrichtenden Polizeibeamten, diese mögen doch mal eben Pause machen, »dann regeln wir das«. Daraufhin handelte sich der Eiderstedter zwei Strafanzeigen ein.

Das Dircks-Video kursierte anschließend sogar öffentlich zugänglich bei Facebook. Der Urheber will dies jedoch nach eigenen Angaben dort überhaupt nicht gepostet, sondern es nur in einer internen, rund 180 Mitglieder zählenden Whatsapp-Gruppe verbreitet haben. Am Ende des dritten Verhandlungstages feierten rund 30 am Gerichtsgebäude versammelte Landwirte den Freispruch für den ehrenamtlichen parteilosen Bürgermeister aus Norderfriedrichskoog.

Die populistische Organisation Freie Bauern kommentierte die Anklage der Staatsanwaltschaft gegen ihr Mitglied Dircks als »politisch motivierten Einschüchterungsversuch gegen einen engagierten Berufskollegen«, der kriminalisiert werden sollte.

Dircks zeigte sich am 11. Juni 2020 mit einer von ihm organisierten Traktor-Aktion als rebellischer Landwirt erstmals einer größeren Öffentlichkeit. Er mobilisierte über 500 Berufskollegen, die mit rund 330 beleuchteten Treckern und Schleppern in der Dämmerung auf einem Feld das Symbol der Landvolkbewegung von 1929 nachbildeten (nd berichtete). Die Organisation fiel gerade auch in Schleswig-Holstein unter anderem mit antisemitischen und völkischen Aussagen auf. In der Folge war Dircks auf mehreren Protestveranstaltungen und Traktor-Konvois mit der Landvolk-Flagge anzutreffen. Da hatten sich Bauernverband und die Gruppierung »Land schafft Verbindung«, eine deutschlandweite Gruppierung von Landwirten, schon längst von ihm und den Wut-Bauern aus seinem Umfeld distanziert.

Die Staatsanwaltschaft will nun erst einmal das schriftliche Urteil abwarten, ehe sie entscheidet, ob dagegen Rechtsmittel eingelegt werden.

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