Historische Massenflucht

OECD-Bericht beleuchtet auch die Folgen des Krieges in der Ukraine

  • Peggy Lohse
  • Lesedauer: 3 Min.

Die internationale Migration nimmt nach der Corona-Zwangspause wieder zu. Zu diesem Schluss kommt der diesjährige OECD-Bericht International Migration Outlook, der am Montag vorgestellt wurde. Demnach stieg die Zuwanderung bis Ende 2021 um 22 Prozent. 4,8 Millionen Personen zogen zur Arbeit, zum Studium, zur Familie oder flohen in ein OECD-Land. 2020 war die Migration laut Vorjahresbericht aufgrund der Pandemiebeschränkungen um 30 Prozent gesunken. Die circa 3,7 Millionen Migrant*innen entsprachen damals dem niedrigsten Stand seit 2003. Erst 2022 wird wohl wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht, wie der Co-Autor der Studie, Thomas Liebig von der OECD in Paris, am Montag im Online-Briefing erläuterte.

Mit 834 000 Personen im Jahr 2021 migrierten OECD-weit die meisten Menschen in die USA. In die EU kamen mehr als zwei Millionen, davon etwas mehr als 50 0000 nach Deutschland. 150 000 von ihnen erhielten Asyl, gut 45 Prozent mehr als im Vorjahr. Die häufigsten Herkunftsländer waren Syrien, Afghanistan und der Irak.

Dem Bericht nach stieg die Anzahl neu bewilligter Asylanträge 2021 auf rund 1,1 Million − knapp 28 Prozent mehr als 2020. Nachdem sich die Arbeitsbedingungen für migrantische Arbeitskräfte während der Pandemie 2020 auch in den wirtschaftsstarken OECD-Staaten noch mehr als für Einheimische verschlechterten, schloss die wirtschaftliche Erholung 2021 zwar auch die zugewanderten Arbeitenden ein. Besonders junge, gut ausgebildete Personen konnten leichter im Ausland eine Arbeit aufnehmen. Doch das Vor-Corona-Niveau wurde noch nicht wieder erreicht.

Laut Bericht war 2021 fast jede siebte zugewanderte Person beschäftigt, der Arbeitslosenanteil betrug neun Prozent. Besonders hoch sei das Risiko von Langzeitarbeitslosigkeit für jene, denen ein berufliches Netzwerk und Sprachkenntnisse fehlten und die mehr Diskriminierung erfahren. Besonders Menschen aus Afrika und dem Nahen Osten.

In Deutschland liege die Zuwanderung durch die EU-weite Freizügigkeit − besonders aus Polen, Rumänien und Bulgarien − anhaltend unter dem 2019er Niveau, was den Fachkräftemangel weiter verschärfe. Stattdessen stieg die Migration aus Drittstaaten vor allem aus humanitären Gründen.

Ein besonderer Fokus des diesjährigen OECD-Migrationsberichts liegt auf den internationalen Studierenden. Insgesamt zeigt sich hier eine wachsende Internationalisierung nach Universitätsabschlüssen: So lag der Anteil internationaler Studierender OECD-weit bei sieben Prozent in Bachelor-Studiengängen, 17 Prozent in Master-Programmen und 26 Prozent auf Promotionsebene.

In Deutschland waren 2020 mit circa 370 000 Personen rund acht Prozent aller internationalen Studierenden immatrikuliert. Damit ist es das in diesem Feld wichtigste, nicht englischsprachige Land, im OECD-Ranking gelegen auf Platz vier hinter den USA, Großbritannien und Australien. Eine besonders freudige Überraschung war laut Liebig, dass gut 60 Prozent der internationalen Studierenden nach Studienabschluss im Land blieben.

Als Folge des russischen Krieges in der Ukraine rechnet die OECD für 2022 mit der größten Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg. Von rund fünf Millionen Fliehenden aus der Ukraine erhielten bisher vier Millionen einen Schutzstatus. Insgesamt erwarte man Kosten von 26,6 Milliarden Euro für Unterbringung, Versorgung und Bildungsangebote für Ukrainer*innen in den europäischen Mitgliedsländern. Bis Mitte September hatte Polen 1,38 Millionen Flüchtende aus der Ukraine aufgenommen, Deutschland etwa eine Million. Eine Schätzung des deutschen Statistikamtes zeigt, dass die Aufnahmezahlen durch den Krieg in der Ukraine bis spätestens Ende 2022 die Zahlen von 2015 übersteigen werden.

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