Ein heißer Herbst von links

Das Bündnis »Genug ist Genug« lud zur Auftaktveranstaltung für den Protest gegen hohe Energiepreise

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 4 Min.

»Genug ist Genug« stand auf zahlreichen Plakaten und Transparenten, die an den Wänden des Veranstaltungsraums Oyoun in Berlin-Neukölln hingen. Dorthin hatte am Donnerstagabend das gleichnamige Bündnis zur Auftaktveranstaltung seiner Kampagne eingeladen. Der Raum war überfüllt und die Stimmung war von Anfang an sehr kämpferisch. Als erste Rednerin zeigte sich Iris Schwerdtner vom linkssozialistischen Magazin »Jacobin« begeistert von der großen Resonanz. Dabei habe man erst vor Kurzem mit der Mobilisierung begonnen.

Vorbild für »Genug ist Genug« ist laut Schwerdtner die Kampagne »Enough is enough«, mit der sich in Großbritannien Gewerkschaften und soziale Initiativen dagegen wehren, dass die kapitalistische Krise auf dem Rücken der Lohnabhängigen ausgetragen wird. Dagegen richteten sich auch die sechs Forderungen der »Genug ist Genug«-Kampagne, die Schwerdtner unter großem Applaus vortrug: Dazu gehören 1000 Euro Wintergeld, die dauerhafte Einführung des 9-Euro-Tickets, die Deckelung von Gas- und Strompreisen, die Sozialisierung der Energiewirtschaft, die Besteuerung der Krisenprofiteure und eine kräftige Erhöhung der Löhne und Gehälter.

Um diese Forderungen drehten sich auch die folgenden kurzen Redebeiträge von Lohnabhängigen verschiedener Branchen. Da war eine Pflegekraft, die sagte, ohne die Erfahrungen des mehrwöchigen Streiks im letzten Jahr in Berlin würde sie hier nicht reden. »Wir haben bewiesen, dass wir kämpfen und siegen können«, betonte sie. Nach ihr sprach ein langjähriger Mitarbeiter der Berliner Stadtreinigung (BSR), der als Erster das Wort Generalstreik unter großem Applaus aussprach. Es wurde danach noch von anderen Redner*innen wiederholt. Es wurde diskutiert, wie sich die Beschäftigten in den anstehenden Tarifverhandlungen der nächsten Monate koordinieren können, um somit mehr Druck auszuüben. Eine Beschäftigte der Post meinte, bei der Tarifrunde müssten diejenigen, auf die es in dem Land ankommt, ihre Macht ausspielen. Da könne ein Arbeitskampf ein wichtiges Mittel sein.

Mehrere Redner*innen betonten, wie wichtig es sei, die anstehenden Sozialproteste mit der Tarifrunde zu verbinden. Wenn den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, die mit einer Forderung von über 10,5 Prozent in die Verhandlungen einsteigen, ein guter Abschluss gelingt, hätte das Signalwirkung auch über die Branche hinaus, so die Einschätzung der Kolleg*innen. »Wir dürfen uns nicht spalten lassen.« Dieser Satz war am Donnerstagabend immer wieder zu hören. So bekam eine alleinerziehende Frau mit Kind, die sich in der Gruppe der Armutsbetroffenen engagiert, viel Applaus für ihren Vortrag, in dem sie aufzeigte, wie sehr das Leben mit wenig Geld den Alltag einschränken kann.

Mehrere Redner*innen grenzten sich unter großem Applaus nach rechts ab. »Sozialer Protest kann nur antifaschistisch sein«, meinte der Linke-Abgeordnete im Berliner Abgeordnetenhaus Ferat Kocak. Er richtete ebenso wie die Bundessprecherin der Grünen Jugend, Sarah-Lee Heinrich, aus dem Publikum kurze Grußadressen an den Ratschlag. Unmut aus dem Publikum kam erst auf, als auch der Neuköllner SPD-Bundestagsabgeordnete Hakan Demir seine Solidarität mit den Protestierenden ausdrücken wollte.

Nach zwei Stunden Programm gingen die Teilnehmer*innen nicht sofort auseinander. An allen Ausgängen hingen Papierrollen, auf denen sich die Betroffenen in Listen eintrugen. Sie wollen in den nächsten Tagen in Betrieben, Kneipen, Stadtteilen und Universitäten die Ziele des Bündnisses bekannt machen und für die Demonstrationen der nächsten Wochen werben.

Am 22. Oktober startet ab 12 Uhr unter dem Motto »Solidarisch durch die Krise« eine große Bündnisdemonstration am Berliner Invalidenpark. Am 12. November beginnt um 13 Uhr eine weitere Demonstration des Bündnisses »Umverteilen«, an dem zahlreiche linke Gruppen beteiligt sind. Mehrere Redner*innen hatten bei der Veranstaltung am Donnerstagabend erklärt, sie könnten es nicht erwarten, ihren Protest auf die Straße zu tragen. Nach der guten Stimmung beim Auftakt könnte es noch ein heißer Herbst von links werden.

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