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Banken entzaubern

Im Dokumentarfilm »Robin Bank« nähert sich die Regisseurin Anna Giralt Gris dem unkonventionellen Bankenkritiker und Enteigner Enric Duran an

  • Gaston Kirsche
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Medien tauften Enric Duran »Robin Hood der Banken« – kurz: Robin Bank.
Die Medien tauften Enric Duran »Robin Hood der Banken« – kurz: Robin Bank.

Als die Spekulationsblase mit Immobilienkrediten zuerst in den USA platzte, wurde am 17. September 2008 an zahlreichen Orten Kataloniens in Spanien eine kostenlose Zeitung mit dem Titel »Crisi« verteilt – Krise. Darin stand neben harscher Kritik an der Finanzindustrie ein Bekenntnis: »Ich habe 492 000 Euro von denen genommen, die uns am meisten berauben, um sie anzuprangern und Alternativen für die Gesellschaft zu schaffen.« So wurde Enric Duran öffentlich bekannt, den Medien bald »Robin Hood der Banken« nannten – kurz: Robin Bank.

Die Regisseurin Anna Giralt Gris war wie Enric Duran in Barcelona um die Jahrtausendwende in der globalisierungskritischen Bewegung aktiv. Und hat 2008 seine Aktionen gegen Banken mit viel Sympathie verfolgt, wie sie in ihrem Dokumentarfilm als Stimme aus dem Off erklärt – zu Bildern brennender Barrikaden auf den breiten Hauptstraßen Barcelonas.

Als Anna Giralt Gris 2019 die wochenlangen Straßenkämpfe in Barcelona erlebt, wo sich sozialer Protest mit dem Einsatz für eine Unabhängigkeit Kataloniens mischt, stößt sie wieder auf Enric Duran – und sie beschließt, einen Dokumentarfilm über ihn zu drehen. Aus dem Leben im Untergrund erklärt Duran, falls Katalonien wirklich unabhängig werden wolle, brauche ein eigenständiger Staat auch ein Wirtschaftssystem ohne Profitorientierung. Anna Giralt Gris sagt, die Meinung von Enric Duran habe Gewicht in den sozialen Bewegungen Kataloniens, sein Coup gegen die Banken sei unvergessen: Von 2005 bis 2008 nahm Enric Duran 68 Geschäfts- und Privatkredite bei insgesamt 39 Banken auf, ohne Garantien oder Immobilien als Sicherheiten. Er hatte nicht die Absicht, die Schulden zurückzuzahlen, und nutzte das Geld, um verschiedene soziale Bewegungen mit Spenden zu unterstützen.

Neben Interviews, unter anderem mit der Mutter von Enric Duran, greift Anna Giralt Gris auf das ihr zur Verfügung gestellte reichhaltige Filmmaterial von Protestaktionen der globalisierungskritischen Bewegung zurück. Einmal mehr zeigt sich, wie wichtig solche Aufnahmen sind. So kann sie auch eine ökologische Fahrradsternfahrt durch Katalonien für Degrowth und nichtfossile Energien zeigen, die Enric Duran aus den Kreditmitteln finanziert und mitorganisiert hat. Duran ist zu sehen, wie er eine Rede hält, diskutiert, Rad fährt.

2009 wurde Enric Duran verhaftet und saß zwei Monate in Untersuchungshaft, bis Freunde eine Kaution für ihn hinterlegten. Aufnahmen der damaligen Kundgebungen für ihn hat die Regisseurin so in den Film einmontiert, dass die Solidarität anschaulich wird, bis hin zum Prozessbeginn 2013. Duran hat sich der zu erwartenden hohen Haftstrafe entzogen, indem er untertauchte. Seitdem lebt er in der Klandestinität.

Den gesamten Film über versucht die Regisseurin, »Robin Bank« zu treffen – was auch gelingt. Das Zusammentreffen bleibt aber erstaunlich oberflächlich, dabei ist der Film so aufgebaut, dass alles auf diese Begegnung zuläuft. Immer wieder werden verschlüsselte E-Mails eingeblendet, die der Kontaktanbahnung dienen, immer wieder weist die Regisseurin als Stimme aus dem Off auf die Bedeutung der Begegnung hin.

Dies wirkt etwas absurd, da auf Spanisch bereits zahlreiche schriftliche und filmische Interviews mit Enric Duran erschienen sind, seit er auf der Flucht ist. So wird auch die Chance vertan, über die Fixierung auf die Banken hinauszugehen und darauf hinzuweisen, dass marxistisch fundierter Antikapitalismus hier nicht auf halbem Weg stehen bleiben, sondern auch die Realwirtschaft, die Produktion, die Lohnarbeit kritisieren würde.

Trotz dieser Einschränkung: Die Dokumentation ist unbedingt sehenswert, zeigt sie doch die in Spanien bedeutende Bewegungskritik an der Finanzwirtschaft, die Wut auf die Verschuldung. So sind auch eingeschlagene Schaufensterscheiben von Bankfilialen zu sehen.

»Robin Bank«, Spanien/Deutschland 2021. Regie: Anna Giralt Gris. Mit: Enric Duran. 79 Minuten. Jetzt im Kino

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