Werbung
  • Wissen
  • Dr. Schmidt erklärt die Welt

Wie macht man den Bundestag kleiner?

Das deutsche Parlament sucht Hilfe fürs Abnehmen

Von Wahl zu Wahl wird der Bundestag größer. Er nähert sich dem 1000. Abgeordneten. Die Überhangmandate werden immer mehr. Weil die sogenannten Volksparteien aussterben?

Richtig ist, dass die großen Volksparteien immer weniger Stimmen fangen. Was natürlich den Aufstieg kleinerer Parteien mit begünstigt hat. Aber das spielt bei den Erststimmen-Wahlen bei uns noch keine große Rolle. Das ist ein reines K.-o.-System: Wer die meisten Stimmen hat, gewinnt. Das System von Erst- und Zweitstimme bevorteilt derzeit die großen Parteien. Die Überhangmandate bekommt man ja nur als Ausgleich, wenn man in der Verhältniswahl mehr Stimmen bekommt als in der Personenwahl mit der Erststimme. Das fällt immer häufiger auseinander, vor allem in den südlichen Bundesländern. Deswegen werden sich die Politiker wohl etwas ausdenken müssen.

Aber was?

Von der Ampelkoalition gibt es den Vorschlag, die Zahl der Abgeordneten an sich zu deckeln. Das Zweitstimmen-Ergebnis, die Verhältniswahl, soll das Entscheidende sein, aber es soll für die Direktwahl eine dritte Stimme geben, mit der man entscheidet, welchen Kandidaten man dann akzeptieren würde, wenn man seinen Wunschkandidaten nicht bekommt. Das könnte man auch als eine Art Zweit-Erststimme bezeichnen. Da wäre es wohl sinnvoller, wie bei der Betriebsratswahl vorzugehen, dass man also einfach mehrere Namen ankreuzen kann.

Man könnte auch die Wahlkreise vergrößern.

Das wäre auch eine Möglichkeit. Aber das würde natürlich, wie man so schön sagt, die Repräsentanz der Abgeordneten verschlechtern. Je weiter weg der Abgeordnete von dir ist, desto weniger hat das alles mit dir zu tun und desto mehr sind das »die da oben«, die sowieso machen, was sie wollen.

Findest du das Mehrheitswahlrecht oder das Verhältniswahlrecht besser?

Auf jeden Fall eins von beiden und nicht beide gleichzeitig. Entweder das französische System mit Direkt- und Stichwahl oder eben ein reines Verhältniswahlrecht, was die realen Wählerstimmen im Parlament widerspiegelt. Das hat natürlich den Nachteil, dass letztlich Parteilisten zur Wahl stehen. Und das ist nicht immer das, was der Anhänger der jeweiligen Partei vor Ort unbedingt selber gut finden würde. Da könnte ich mir jetzt zum Beispiel in der Linkspartei erhebliche Dissense vorstellen.

In den USA schrauben sich die Regierenden einfach ihre Wahlkreise so zusammen, wie es ihnen am besten passt.

Das ist nicht bloß in den USA so. Das hat schon De Gaulle im Raum Paris gemacht, als es damals noch den »Roten Gürtel« der KPF gab, der inzwischen ja eher bräunlich ist. Der hatte die Wahlkreise so geschnitten, dass dort die Linken nicht zu groß werden. Und das ist ihm ja dann auch gelungen. Das Mehrheitswahlrecht hat aber noch einen anderen Nachteil: In den USA kann man das sehr schön sehen. Da kümmern sich Abgeordneten vor allem um Vorteile für ihren Wahlkreis, weil das wichtig für die Wiederwahl ist. Was für gesamten USA gut ist, oder auch nur für ihren einzelnen Bundesstaat, zählt da oft nicht. Das geht in Richtung imperatives Mandat, was ja vom Grundgesetz ausgeschlossen wird. Danach sollen nicht die Wähler (und Spender) bestimmen, was der Gewählte entscheidet, sondern dessen Gewissen.

Gut, das ist aber eher Theorie, oder?

Klar. Letztlich machen die auch nur das, was Parteibeschlusslage ist, damit sie wieder aufgestellt werden. Denn die Fälle, wo jemand sich gegen den Willen seiner Partei als Direktkandidat durchgesetzt hat, die sind ja doch sehr dünn gesät. Ströbele oder Palmer bei den Grünen fallen mir da ein, als absolute Ausnahmen. Insofern ist die Frage bei alldem, welches der Verfahren am besten den Eindruck der Wähler beseitigt, dass das Ganze sowieso sinnlos ist. Es gibt ja den berühmten Spruch, wenn Wahlen was verändern können, wären sie längst verboten.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.