Nach ihnen die Sintflut

Wolfgang Pomrehn über die Kriminalisierung der Klimabewegung Letzte Generation

  • Wolfgang Pomrehn
  • Lesedauer: 3 Min.

Schlägt man dieser Tage die Zeitung auf, so kann man den Eindruck bekommen, bewaffnete Untergrundorganisationen stünden kurz davor, zum Umsturz aufzurufen. Von Klima-Kriminellen ist die Rede, die »einfach weggesperrt« werden sollten. Vor einer Klima-RAF wird gewarnt. Die Springer-Presse hetzt, als hätte sie aus dem Anschlag auf Rudi Dutschke nichts gelernt. Und Jens Spahn (CDU) sah sogar kürzlich die »Klimadiktatur« am Horizont heraufdämmern, weil man ihm sein Auto wegnehmen könnte.

In der Tat werden Maßnahmen, die man eher aus Diktaturen kennt, bereits angewandt. Allerdings nicht von Klimaschützern, sondern gegen sie. In Bayern sitzen über ein Dutzend Straßenblockierer in Polizeihaft. Ohne ordentlichen Prozess beraubt man sie für einen Monat der Freiheit, allein weil die Polizei der Ansicht ist, sie könnten sich noch einmal auf die Straße setzen. Präventivgewahrsam nennt sich derlei im Amtsdeutsch und sollte eigentlich jeden, der etwas von Rechtsstaat und Gewaltenteilung hält, auf die Straße bringen – egal, ob er mit den Aktionen der Letzten Generation sympathisiert oder nicht.

Wolfgang Pomrehn
Wolfgang Pomrehn ist freier Journalist und schreibt vorwiegend zu klimapolitischen Themen.

Seit Monaten sorgen Gruppen dieser Bewegung in diversen Städten mit Straßenblockaden, spektakulären Aktionen in Museen und zuletzt einer Flughafenblockade in Berlin – von ihrer Seite alles gewaltfrei – für Schlagzeilen. Und natürlich ist es ärgerlich, wenn der Handwerker auf dem Weg zur Arbeit im Stau steht. So ärgerlich, wie es eben ist, wenn der Bus mal wieder im Feierabendverkehr feststeckt und man deshalb zu spät zu einem Termin kommt. Oder wenn mal wieder ein Zug der notorisch unzuverlässigen Berliner S-Bahn ausfällt, weil das bahneigene Unternehmen nicht genügend Fahrpersonal einstellt und der Senat dies toleriert.

Nein, wenn Autofahrer nicht in der Lage sind, eine Rettungsgasse für Notarzt oder Krankenwagen zu bilden, dann liegt es nicht an dem den Stau verursachenden Hindernis, sondern an der Übergröße heutiger PKW und der emotionalen Trägheit ihrer Fahrer. Die Blockierer der Letzten Generation verweisen jedenfalls darauf, dass sie stets Einsatzfahrzeuge durchgelassen haben. Doch was sollen sie machen, wenn diese von den viel zu vielen PKW aufgehalten werden, wie es übrigens auch ohne Klimaschützer auf den deutschen Straßen Alltag ist?

Diese wollen derweil mit ihren schon verzweifelt anmutenden Aktionen auf den Ernst der Lage aufmerksam machen. Wir sind inzwischen inmitten eines großen Artensterbens, wie es zuletzt vor 66 Millionen Jahren auftrat, nachdem im Golf von Mexiko ein riesiger Asteroid einschlug, für einige Jahre die Erde verdunkelte und zum Aussterben der Dinosaurier führte. Erst kürzlich hat der Dachverband der nationalen Wetterdienste in Genf davor gewarnt, dass sich das Abschmelzen der Polkappen und damit der Anstieg des Meeresspiegels weiter beschleunigt. Und mehrere Dürrejahre in Mitteleuropa haben uns eine kleine Ahnung davon gegeben, wie schwierig die Welternährung in einer wärmeren Welt sein könnte.

Im krassen Widerspruch zu diesen Gefahren, die auf die Menschheit zukommen, steht die Untätigkeit der Bundesregierung, die besonders schädliches Frackinggas aus den USA importieren will, aber nicht einmal ein Tempolimit auf den Autobahnen und in den Städten hinbekommt, das nicht nur Treibhausgase mindern, sondern auch Unfalltote vermeiden würde. Für viele Menschen ist dieser Widerspruch inzwischen unerträglich.

Da Bundesregierung und bürgerliche Opposition – mit Unterstützung von rechts außen – nicht daran denken, rechtzeitig umzusteuern, müssen die Mahner kriminalisiert und in die Terroristenecke gestellt werden. Um Nachahmer einzuschüchtern, um Kritiker möglichst kleinzuhalten. Damit auch noch die letzten Profite aus der fossilen Energiewirtschaft gepresst werden können. Nach ihnen die Sintflut.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal