Vietnam kennt auch Verlierer

Ethnische Minderheiten stehen am Ende der Einkommensskala

  • Sarah Grieß, INKOTA
  • Lesedauer: 2 Min.

Angeklagt wegen vermeintlicher Steuervergehen, verurteilt zu mehreren Jahren Haft. Solche Fälle gab es in den vergangenen Monaten viele in Vietnam. Man könnte meinen, ein wahres Syndikat an Betrügern wäre entlarvt worden. Auffallend jedoch ist, dass es sich bei einem Großteil der Verurteilten um Umwelt- und Menschenrechtsaktivist*innen handelt, die sich kürzlich in der Öffentlichkeit kritisch geäußert haben. Internationale Beobachtende halten die Verfahren deshalb für politisch motiviert. Tatsächlich sind die vietnamesischen Steuergesetze derart vage und auslegungsabhängig, dass man eigentlich immer irgendeinen Vorwurf konstruieren kann, mit dem sich unliebsame Kritiker*innen mundtot machen lassen.

Über allem steht die Kommunistische Partei Vietnams (KPV). Im Land gibt es keine politische Opposition, die Presse wird streng zensiert. Inländische Nachrichten lesen sich deshalb oft wie eine Aneinanderreihung von Erfolgsgeschichten. Allem voran geht es um die rasant wachsende Wirtschaft, die im internationalen Vergleich mit einem Zuwachs von 13 Prozent 2022 Rekordwerte erzielt – als hätte es die Covid-19-Pandemie nie gegeben.

Was dabei selten thematisiert wird, ist das große soziale Gefälle, an dessen unterem Ende sich vor allem die vielen, überwiegend auf dem Land lebenden ethnischen Minderheiten befinden. Sie verdienen ihren Lebensunterhalt nahezu ausschließlich mit der Land- und Forstwirtschaft und sind deshalb besonders vom Zugang zu Land und vom Schutz der natürlichen Ressourcen abhängig. Sie trifft es am schlimmsten, wenn wieder einer der vielen Taifune über das Land fegt und heftige Regenfälle, Erdrutsche und Überschwemmungen mit sich bringt. Aber auch die durch den Klimawandel verursachte Erosion und Versalzung der Böden gefährdet die Lebensgrundlage vieler Kleinbäuerinnen und -bauern. Teils extreme Armut ist die Folge. Wegen ihrer marginalisierten Stellung innerhalb der vietnamesischen Gesellschaft finden sie jedoch kaum Gehör. Umso wichtiger ist es, dass sich Projekte wie das der diesjährigen nd-Solidaritätsaktion für die benachteiligten ethnischen Minderheiten einsetzen und sie unterstützen, ihre Stimme zu erheben.

Tatsächlich waren die Entscheidungsprozesse in Vietnam lange Zeit ausschließlich von einem Top-down-Ansatz geprägt. In den vergangenen Jahren hat die Regierung jedoch eine Reihe von Richtlinien und Verordnungen erlassen, mit denen die Beteiligungsmöglichkeiten der lokalen Bevölkerung verbessert werden. Bis diese landesweit umgesetzt werden, wird es noch einige Zeit dauern. Die Projekte der nd-Solidaritätsaktion setzen dort an.

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