Ein Gag zum Abschied

Zum Tod des Defa-Spielfilmregisseurs Roland Oehme

  • Günter Agde
  • Lesedauer: 3 Min.

Noch kürzlich feierte er seinen 87. Geburtstag: inmitten seiner großen Familie thronte er majestätisch und trug einen ungeheuren Schlapphut auf dem Kopf. Überraschend, denn er hatte nie in seinem Leben so etwas getragen, sondern immer nur die Regisseur-Schiebermütze. Als alle seine Gäste da waren, inszenierte er einen Super-Gag: Er nahm den Hut ab und präsentierte einen glänzenden, völlig blanken Schädel, ein ungeheurer Effekt. Die Chemotherapie hatte ihr Opfer gefordert. Aber Roland Oehme trug die schwierige Situation mit altersweiser Ironie und auch mit hintergründiger Melancholie, denn er wusste wohl, wie es um ihn stand. Das Hut-Abnehmen und Kahlen-Schädel-Präsentieren als komisch-ironische Nummer, als Gag des Abschieds. Das gefiel ihm und passte zu ihm: Immer, in allen seinen Filmen, hatte er sorgfältig und mit enormem Sinn an den Pointen gearbeitet, am Witz von Szenen. Freilich: Gags waren ihm nicht alles, obwohl er keinen ausließ.

Was machte die Komik in allen seinen Filmen aus? Es war wohl die Fallhöhe zwischen ideellem Anspruch als Versprechen auf die Zukunft, das von den DDR-Oberen vorgegeben war, und der gelebten Realität ihrer Bürger. Oehmes Klassiker bleibt »Der Mann, der nach der Oma kam« (1971): Ein junger Mann, Erwin Graffunda, (Winfried Glatzeder) als Haushalthilfe und Mädchen für alles in einem chaotischen Künstlerhaushalt: Anarchie als Normalzustand – aber Graffunda bewältigte alles.

In »Einfach Blumen aufs Dach« (1979) geriet ein kinderreicher Hochspannungsmonteur in ein Dilemma: Er bekommt eine überdimensionale Regierungskalesche namens Tschaika (aus dem Russischen abgeleitet: Möwe – so hießen die Staatskarossen der DDR-Führung). Das Missverhältnis zwischen dem Riesenauto, seiner vielköpfigen Familie und dem befremdlichen Umgang der Arbeitskollegen mit ihm machten den komischen Reiz des Films aus. Auch »Wie füttert man einen Esel« (1974, mit Manfred Krug), »Ein irrer Duft von frischem Heu« (1974, eine Satire auf Orthodoxe aller Art) und »Asta, mein Engelchen« (1981, mit Erwin Geschonneck in einer Doppelrolle) lebten von solchen Gestaltungsansätzen: einer gegen den Rest der Welt (oder gegen »die da oben«). Jeder Zuschauer erkannte schmunzelnd den Hintersinn, der nicht moralisierend daherkam. Die DDR-Zuschauer nahmen dieses Subversive wahr, stimmten ihm zu, und so kam der Erfolg von Oehmes Filmen zustande. Das ist heute kaum noch nachvollziehbar, aber wer genau hinsieht, wird den Wert dieser Filmkomödien genießen können.

In den Widersprüchen des DDR-Alltags fand er vieles, was mit Witz und Heiterkeit bloßgestellt, kritisiert, veralbert werden konnte und – seiner Meinung nach – auch musste. Lachend sollten diese Widersprüche gelöst werden. Gesamtgesellschaftlich war das ein Irrtum, denn solche Filme bewirkten nichts im Lande. Aber die Zuschauer waren auf seiner Seite – sie lachten und freuten sich und hatten somit Entspannung und Unterhaltung besonderer Art. Damit hatte er es oft nicht leicht, denn die DDR-Oberen hatten wenig Sinn für Humor, sie betrachteten alle Unternehmen in dieser Richtung mit Misstrauen und witterten allzu oft in jedem Witz Umstürzlerisches.

Nach dem Ende seiner Filmarbeit bei der Defa inszenierte er die Störtebeker-Festspiele in Ralswiek, immerhin zehn Jahre lang, dann die Müritz-Saga von 2006 bis 2013 – solide gearbeitete Aufführungen (Pfusch hat er nie geliefert), wie seine Filme auf die Unterhaltung des (zahlreichen) Publikums ausgerichtet. Mit Vergnügen und voller Einfälle hat er auf den riesigen Freilichtbühnen Segelschiffe, Reitertrupps, Liebespaare, Genreszenen aller Art und viel Statisterie bewegt, ein Spektakel jagte das nächste. Auch das konnte er: Schausteller, Spektakel, Show pur fürs Auge. Das war ein melancholisch-betriebsames Abschiednehmen vom Filmemachen, aber er blieb eben doch im Metier: besser auch so etwas machen, als in schwarze Löcher voller Bitterkeit fallen.

Mit rund einem Dutzend Filmen hat Roland Oehme wie kein anderer Defa-Regisseur das heitere Genre im DDR-Spielfilm geprägt.

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