Gefängnis bei Ehebruch

Indonesien führt neue Straftatbestände ein

  • Barbara Barkhausen, Sydney
  • Lesedauer: 3 Min.

Menschenrechtsorganisationen bezeichnen die Neuerungen als Rückschlag für ein Land, das sich als Gastgeber des G20-Gipfels gerade noch weltoffen gezeigt hat. Tatsächlich ist die Änderung des Strafgesetzbuches aber seit Jahren in Vorbereitung. Indonesien hat die größte muslimische Bevölkerung der Welt: Etwa 230 Millionen der rund 280 Millionen Indonesier bekennen sich zum Islam. Islamische Moralprediger konnten über die Jahre hinweg ihren Einfluss deutlich steigern.

Das neue Strafgesetzbuch, das das indonesische Parlament am Dienstag verabschiedet hat, sieht unter anderem vor, dass Paare strafrechtlich verfolgt werden können, wenn sie außerehelichen Sex haben oder vor der Ehe zusammenleben. Ehebruch kann eine zwölfmonatige Gefängnisstrafe nach sich ziehen. Die neuen Gesetze gelten für indonesische Staatsbürger wie für Ausländer. Allerdings können Paare nur dann strafrechtlich verfolgt werden, wenn sie von einem engen Familienmitglied angezeigt werden.

Dämpfer für die Meinungsfreiheit

Weitere neue Strafen soll es für Kritik am Präsidenten oder an Ministern und Institutionen der Regierung geben. Auch Blasphemie soll hart geahndet werden. All das wird die Meinungsfreiheit einschränken und Demonstrationen erschweren. Weiterhin strafbar bleibt Abtreibung; es gibt jedoch Ausnahmen für Frauen mit lebensbedrohlichen Erkrankungen und bei Vergewaltigung. Auch die Todesstrafe ist weiterhin gesetzlich verankert. Das Strafgesetzbuch soll nach dreijähriger Übergangsphase in Kraft treten und kann in dieser Zeit noch vor Gericht
angefochten werden.

Menschenrechtsorganisationen kritisieren das neue Gesetzeswerk. Es sei ein »erheblicher Schlag« für die Menschenrechte, sagte Usman Hamid von Amnesty International in Indonesien. Er befürchte, dass es ein »Klima der Angst« erzeugt werde. Das Gesetzbuch entspreche nicht internationalen Menschenrechtsstandards, hieß es seitens Human Rights Watch. Der Kodex enthalte Artikel, die die Rechte von Frauen, religiösen Minderheiten sowie Lesben, Schwulen, Bisexuellen und trans Menschen verletzten.

Werkzeug gegen politische Feinde

»Die Gefahr repressiver Gesetze besteht nicht darin, dass sie breit angewendet werden«, erklärte Andreas Harsono, der die indonesische Abteilung von Human Rights Watch leitet. Die Gefahren lägen in der »selektiven Umsetzung«. Derartige Gesetze ermöglichten es der Polizei, Bestechungsgelder zu erpressen. Beamte könnten die Blasphemieartikel zudem zum Anlass nehmen, politische Feinde inhaftieren zu lassen. Insgesamt werde mit der Erweiterung des Blasphemiegesetzes die Religionsfreiheit im Land weiter eingeschränkt, so Harsono. Beispielsweise soll künftig jemand, der einen anderen davon überzeugt, »ein Ungläubiger zu werden«, strafrechtlich verfolgt werden.

Die Aktualisierung des indonesischen Strafgesetzbuches, das auf die niederländische Kolonialzeit zurückgeht, hat mehr als fünf Jahrzehnte gedauert. Im September 2019 beschloss Präsident Joko Widodo noch, die Verabschiedung wegen massiver Straßenproteste zu verschieben. Mit den Neuerungen wird das Leben in Indonesien deutlich islamischer geprägt. Bisher waren nur einige Regionen wie die Provinz Aceh im Norden Sumatras, wo das islamische Recht, die Scharia, gilt, dafür bekannt, streng gegen vermeintlich unsittliches Benehmen vorzugehen. So meldeten internationale Medien 2017, dass zwei homosexuelle Männer dort zu jeweils 85 Stockhieben verurteilt worden seien.

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