Frieden schaffen mit Europas Waffen?

Özlem Demirel über die Aufrüstung der Europäischen Union

  • Özlem Demirel
  • Lesedauer: 4 Min.

Während der EU-Ratssitzung Mitte Dezember haben die europäischen Außenminister die reichlich kreativ benannte Kriegskasse »Europäische Friedensfazilität« (EFF) weiter befüllt. Im ersten Schritt geht es konkret um zwei Milliarden Euro sowie die Möglichkeit, diesen Fond »bei Bedarf« um bis zu 5,5 Milliarden (zu Preisen von 2018) zu erhöhen. Diese sogenannte Friedensfazilität zählt zu den wichtigsten Finanzierungsquellen für Waffenlieferungen an die Ukraine. Insgesamt könnte die Fazilität damit mit 10,5 Milliarden Euro (Preise 2018) bzw. 12 Milliarden (zu aktuellen Preisen von 2021) ausgestattet werden.

Hieraus sollen Militäreinsätze sowie Waffenlieferungen an verbündete »Partner« finanziert werden. Ursprünglich waren hierfür rund 5,7 Milliarden zwischen 2021 und 2027 vorgesehen. Doch mit der steten Befeuerung des Ukrainekrieges wurden die Geldquellen langsam knapp, denn im Moment sind »nur« noch 810 Millionen Euro übrig.

Özlem Demirel
Özlem Demirel ist Europabgeordnete der Linken.

Von Anfang an war das EFF-Konstrukt abenteuerlich: Weil es der EU-Vertrag (Artikel 41,2) verbietet, »Ausgaben aufgrund von Maßnahmen mit militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen« aus dem EU-Haushalt zu finanzieren, wurde die EFF im März 2021 als »haushaltsexterner Posten« mit Geldern der Einzelstaaten ins Leben gerufen. Also eine Art Schattenhaushalt ohne jegliche Kontrolle des EU-Parlaments.

Zunächst wurden über den Mechanismus halbwegs überschaubare Beträge ausgeschüttet, so waren im Juli 2021 130 Millionen Euro zur Unterstützung der Afrikanischen Union und im November 10 Millionen für Bosnien und Herzegowina sowie 40 Millionen für Mosambik bewilligt worden. Im Dezember 2021 kamen weitere Maßnahmen in Georgien (12,75 Mio.), Moldawien (7 Mio.) und in Mali (24 Mio.) hinzu. Richtig beansprucht wurde die Fazilität dann aber nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine: In mehreren Tranchen, meist zu jeweils 500 Millionen Euro, wurden bislang 3,1 Milliarden für Waffenlieferungen an die Ukraine bewilligt. Weil auch ständig »kleinere« Militärhilfen für andere Länder hinzukommen und zudem Militäreinsätze der EU selbst wie auch der Afrikanischen Union künftig, zumindest in Teilen, über die Fazilität finanziert werden sollen, begann bereits im September 2022 eine Debatte über eine mögliche Aufstockung des Budgets.

Nicht alle Länder schienen von vorneherein begeistert, deshalb musste der 5,5-Milliarden-»Wumms« erstmal wieder vom Tisch und man einigte sich nun auf die »Tranchenvariante«, die für das kommende Jahr die besagten 2 Milliarden locker macht, weitere 3 Milliarden können folgen. Über diese Friedensfazilität wird aktuell auch mit 16 Millionen die EUMAM (European Military Assistance Mission) mitfinanziert, mit der die Europäische Union bis zum Frühjahr 15 000 ukrainische Soldat*innen ausbilden will – allein 5 000 durch und in Deutschland.

Doch damit nicht genug, in der EU-Pipeline hängen sowohl die Aufstockung des Europäischen Verteidigungsfonds, die noch engere Verzahnung des zivilen Weltraumbudgets mit militärischen Belangen und die Auflage eines weiteren neuen Fonds. Mit EDIRPA (European Defence Industry Reinforcement through common Procurement Act) sollen künftig gemeinsame europäische Munitionskäufe mit mindestens 500 Millionen Euro finanziert werden, nachdem sich die Bestände infolge der Lieferungen an die Ukraine geleert haben.

In scharfem Kontrast zur Geschäftigkeit an der militärischen Front herrscht in Diplomtiefragen Funkstille. Selbst die bemerkenswerte Initiative von US-Generalstabschef Mark Milley, der forderte, es seien nun zwingend Verhandlungen zur Beendigung der Kampfhandlungen aufzunehmen, verhallte in den Chefetagen der Nato und EU. Auf beiden Seiten des Atlantiks wird sich derzeit mehrheitlich darauf zurückgezogen, die Entscheidung über die Aufnahme von Verhandlungen obliege ganz allein der Ukraine. Dass aber nicht die Ukraine selbst, sondern vor allem die Nato-Führung entscheidet, wann und wie der Krieg aus Sicht der Ukrainer enden soll, ist aber ein offenes Geheimnis. Denn nicht zuletzt Großbritannien und US-Präsident Joe Biden selbst mahnten zuvor die Ukraine, während der Friedensverhandlungen in Ankara, keinen übereilten Friedensabschluss zu finden.

Diese Haltung ist nicht nur ein Armutszeugnis, sondern auch mit massiven Kosten für die Bürger*innen hier und mit Leid, Tod und Elend für das einfache Volk in der Ukraine verbunden.

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