Zwangsarbeiter bei der Reichsbahn

Recherchen informieren über Nazi-Vergangenheit des RAW-Geländes in Berlin-Friedrichshain

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

Das RAW-Gelände im südlichen Friedrichshain war bisher vor allem für seine Party- und Konzertkultur berühmt. Nicht alle Feiernden wissen, dass die Abkürzung RAW für das Reichsbahnausbesserungswerk steht, das dort über viele Jahrzehnte sein Domizil hatte. In der Nazizeit mussten dort auch Zwangsarbeiter*innen für die Reichsbahn schuften. Darüber informiert seit Kurzem eine Informationstafel, die in einem Schaukasten vor der Skaterhalle auf dem RAW-Gelände angebracht wurde. Dort sind die Ergebnisse aufgeführt, die Drop In, das Forum für interkulturelle und politische Bildung, gesammelt hat.

»Unsere Recherchen haben ergaben, dass zwischen 1942 und 1945 etwa 2500 Menschen bei der Reichsbahn im RAW Warschauer Straße als Zwangsarbeiter*innen eingesetzt waren. Diese Menschen waren größtenteils aus den von der Wehrmacht besetzten Gebieten der Sowjetunion verschleppt worden«, erklärte Dominik Aurbach von Drop In. Beim Forum handelt es sich um einen freien Bildungsträger mit Schwerpunkt in der politischen und interkulturellen Jugendarbeit, der sich seit 2016 mit der Geschichte der Zwangsarbeit auf dem RAW-Gelände befasst. Aurbach war zu Gast bei einer Veranstaltung zur Frage, wie die Geschichts- und Erinnerungsarbeit auf dem RAW-Gelände künftig gestaltet werden soll.

Zunächst stellte er dafür die Ergebnisse der Recherche von Drop In vor. Die im RAW tätigen Zwangsarbeiter*innen waren demnach in Barackenlagern in Groß-Ziethen, Grunewald und Kaulsdorf untergebracht und wurden täglich auf langen Anfahrtswegen zum RAW-Gelände transportiert. Aurbach betonte, dass mit dem Anbringen der Informationstafel die Debatte um die Erinnerungspolitik nicht beendet, sondern angestoßen werden soll.

»Für eine Gedenk- und Erinnerungspolitik bedarf es zivilgesellschaftlichen Engagements«, sagte Christian Weber vom Dokumentationszentrum für NS-Zwangsarbeit in Schöneweide. Weber bietet hier Beratung und Unterstützung für die Erinnerungsarbeit auf dem RAW-Gelände an.

Der Historiker und Kulturwissenschaftler Erhard Elfert wies auf die Probleme für eine Erinnerungspolitik hin, wenn Investoren ein Gelände profitabel verwerten wollen, wie es auf dem RAW-Gelände der Fall ist. Dort will die Kurth-Gruppe als Eigentümerin demnächst mit der Errichtung von Hochhäusern beginnen. Auch einige Anwohner*innen beteiligten sich an der Diskussion. Dabei wies eine Frau darauf hin, dass es bereits in den 70er Jahren in der DDR Forschungen zu den Zwangsarbeiter*innen auf dem RAW-Gelände gegeben hat. »Dabei standen die Beziehungen zwischen den Zwangsarbeiter*innen und den regulär Beschäftigten im Mittelpunkt«, präzisierte sie.

Die Diskussion um das Erinnern an die Zwangsarbeit auf dem RAW-Gelände soll nächstes Jahr fortgesetzt werden. Dann vielleicht mit mehr Nutzer*innen des Areals. Diese waren bei der Diskussion in der Skaterhalle kaum vertreten.

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