Erdoğan zu Willen

Peter Steiniger über Schwedens beschämenden Kriechgang zur Nato

Während sich der westliche Militärpakt im Ukraine-Krieg immer offener zur Partei macht, hat es Stockholm weiter eilig damit, 200 Jahre Allianzfreiheit zu entsorgen und den Beitritt zur Nato unter Dach und Fach zu bringen. Die größte Hürde dabei bildet immer noch die Türkei, die mit ihrem Veto droht und auch dem zweiten nordischen Nato-Aspiranten Finnland Forderungen stellt. Beide Länder wollen diese konstruktiv abarbeiten, aber es hakt noch. Ankaras To-do-Liste für Schweden enthält 17 Punkte für ein partnerschaftliches Miteinander und 42 Namen politischer Flüchtlinge, die die türkischen Sicherheitskräfte in ihre blutigen Finger kriegen möchten.

Beim gerade stattgefundenen Versöhnungsbesuch des schwedischen Außenministers Tobias Billström in Ankara zeigte sich sein Amtskollege Mevlüt Çavuşoğlu ungnädig. Hier ist man enttäuscht, dass Schwedens neue Rechtsregierung unter Ulf Kristersson bei der Umsetzung der türkischen Forderungsliste nicht noch einen Zahn zulegt. Besonders wenig Verständnis haben die Neo-Osmanen für rechtsstaatliche Kinkerlitzchen, die das positive Klima der Verhandlungen trüben. Als ein Unding betrachtet man die Entscheidung des Obersten Gerichts in Stockholm, die Auslieferung des Journalisten Bülent Kenes an die Türkei abzulehnen. Der vermeintliche Meinungsverbrecher soll ein Anhänger des Erdoğan-Erzfeindes Gülen sein und dafür endlich büßen.

Außenminister Billström kann nichts dafür und verspricht Besserung in Form einer Verfassungsänderung, die ausweitet, was als terroristische Aktivität gelten kann. Die moralischen Nato-Standards meistert Stockholm im Umgang mit der Türkei mit großer Leichtigkeit. Dabei ist die militärische Integration für Brüssel und Washington längst beschlossene Sache. Schwedens würdelose Kriecherei ist vor allem eine außenpolitische Prämie für Präsident Erdoğan vor der Wahl im kommenden Juni.

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