• Berlin
  • Deutsches Technikmuseum

Mut zur Reparatur

Kaputtes wiederherstellen statt wegwerfen – dazu will eine Ausstellung im Technikmuseum anregen

  • Louisa Theresa Braun
  • Lesedauer: 5 Min.
Ein Highlight der Ausstellung »Reparatur!«: Der schöne blaue Planet besteht ganz aus Elektroschrott.
Ein Highlight der Ausstellung »Reparatur!«: Der schöne blaue Planet besteht ganz aus Elektroschrott.

Ein riesiger, blau-grün-glitzernder Globus begrüßt die Besucher*innen der Sonderausstellung »Reparieren! Verwenden statt Verschwenden« im Deutschen Technikmuseum. Doch beim Näherkommen entpuppt er sich als eine Skulptur aus Handys, Computerchips und anderem Elektroschrott. Das Werk von Muharrem Batman versinnbildlicht, wie Konsum die Erde vermüllt. Über 16 Kilogramm wog der Elektroschrott einer Person in Europa im Jahr 2019 – nicht einmal die Hälfte wurde dokumentiert recycelt. In Nordamerika sind es sogar fast 21 Kilo, von denen nur etwa ein Achtel recycelt wurde. Oft landet der Müll auf Deponien im globalen Süden, wo er die Umwelt und die Gesundheit der Menschen beeinträchtigt. In Zeiten von Wegwerfgesellschaft und Klimakrise ist ein Umdenken angesagt: Dinge reparieren und weiterbenutzen, statt sie wegzuwerfen und neu zu kaufen.

»In der jüngeren Generation stößt man oft auf Unverständnis. Viele sagen gleich, sie brauchen was Neues«, sagt Mitkurator Bernd Lüke zu »nd«. Andere würden sich heutzutage kaum noch trauen, etwas selbst zu reparieren, weil das entsprechende Wissen verloren gegangen sei. Viele junge Menschen hätten in ihrem Leben noch nie einen Knopf angenäht, bestätigt Besucherbetreuerin Semra Temel, die durch die Ausstellung führt. »Die kriegen zu Hause schon die Wegschmeißkultur mitgegeben«, sagt sie. Die Sonderausstellung, die sich besonders an Kinder, Familien und Schulklassen richtet, soll daher »Mut machen und inspirieren«, wie Bernd Lüke sagt.

Genau das tut der Frauen-Motorradclub »Zündkatzen«, auch weil er mit Geschlechterkonventionen bricht – Motorräder und Elektronik gelten schließlich als »Männersache«. Das dunkelrote Mofa Garelli Duoped von 1971, das hier ausgestellt ist, weckte jedoch die Leidenschaft einiger technikbegeisterter Frauen. »Wir trauen uns, wir sind mutig, reparieren macht einfach Spaß!«, sagt eine der »Zündkatzen« über eine Audiostation.

Mit Mut und Extremsituationen geht es weiter, nämlich mit Reparaturen in großer Höhe durch Kletter*innen, zum Beispiel am Fernsehturm, oder im Weltall, so wie im Fall der Mission Apollo 13 im Jahr 1970 (»Houston, wir haben ein Problem!«), als eine improvisierte Reparatur das Leben der Raumschiff-Insassen rettete. Auch ein Rollstuhlfahrer kommt zu Wort, der alleine die Welt bereist und den einen oder anderen platten Reifen oder Achsenbruch schon kurzerhand selbst repariert hat. »Ich mache das nicht, weil ich es kann, sondern ich kann es, weil ich es mache. Ich erlebe was Neues und verschiebe dadurch Grenzen«, erklärt Felix Bernhard.

Ein Highlight vieler Kinder sei neben dem Globus das Aquarium, berichtet Semra Temel. Darin schwimmen zwei Axolotl, mexikanische Lurche, die die besondere Fähigkeit haben, verlorene Gliedmaßen zu ersetzen und daher die Maskottchen der Ausstellung sind. Solche Selbstreparaturphänomene regen Forscher*innen dazu an, sich selbst reparierende Materialien zu entwickeln. Bislang sind für die Reparatur von Nichtlebendigem in der Regel Werkzeuge notwendig, die in einem weiteren Bereich vorgestellt werden. Muharrem Batman, der Schöpfer des Schrottglobus, erzählt an einer Hörstation von seinem Lieblingswerkzeug: einer Uhrmacher-Lupe, die man sich beim Reparieren direkt ins Auge klemmt. »Ich liebe diese Teile, weil man mit freier Hand damit arbeiten kann«, erklärt er.

Schließlich widmet sich die Ausstellung der »programmierten Kurzlebigkeit« von elektronischen Geräten, dem politischen Kampf für ein Recht auf Reparatur, der Chirurgie – quasi Reparaturen am Menschen – und der Frage, ob Reparaturen Dinge wertvoller machen können. Weil man sie womöglich verschönert und eine Beziehung zu den Dingen aufbaut. So sind eine an vielen Stellen geklebte, über drei Generationen genutzte Kaffeekanne, eine mit vielen Flicken gemusterte Upcycling-Jacke und ein genähter Teddybär ausgestellt. Die Abnutzungen seien »ein Zeichen, dass er am Leben teilgenommen hat. Er erzählt eine Geschichte«, sagt die Puppendoktorin Daniela-Rebekka Melse im Audio.

Junge Besucher*innen können sich auch selbst an Reparaturen versuchen, ob an der eines Holzautos, eines Mini-Deichs, einer Riesensocke oder eines überdimensionalen Gebisses. Den Großteil der Sonderausstellung nimmt eine Mitmach-Werkstatt ein, in der regelmäßig Workshops und Fahrradwerkstätten stattfinden, ab diesem Jahr außerdem ein monatliches Repair-Café des Vereins Kunststoffe, bei dem kleine elektronische Geräte repariert werden können.

Im Übrigen folgt auch die Ausstellung selbst den Regeln der Nachhaltigkeit: Vitrinen und Medientechnik wurden schon vorher genutzt, Ausstellungswände und Texttafeln werden hinterher recycelt, auf umweltschädliches Material und Objektleihgaben aus entfernten Ländern wurde verzichtet und das Axolotl-Aquarium zieht nach der Ausstellung in ein Gymnasium um.

Die Sonderausstellung »Reparieren!« ist bis zum 3. September im Deutschen Technikmuseum zu sehen und über den Eingang Ladestraße/Möckernstraße 26 zu erreichen. Das erste Repair-Café findet am 15. Januar von 13 bis 17 Uhr statt, ab Februar an jedem ersten Sonntag im Monat. Anmeldung über repaircafe@kunst-stoffe-berlin.de.

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