Energiewende wird abgeräumt

Der dreckige Lützerath-Deal zwischen der Politik und dem RWE-Konzern darf kein Vorbild für den Kohleausstieg in Ostdeutschland sein.

  • Olaf Bandt
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Räumung der Ortschaft Lützerath hat begonnen. Trotz vehementer Proteste der Klimabewegung und starker Kritik auch bei den Grünen bleibt die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen entschlossen, den Weg für die Abbagerung der Kohle unter Lützerath freizugeben. Obwohl mit dem früheren Kohleausstieg 2030 klimapolitisch auch etwas auf der Habenseite steht, ist der Deal zwischen NRW-Landesregierung und RWE insgesamt dreckig. Die Argumentation ist falsch, dass langfristig mehr Kohle gebraucht werde, um die Energiekrise zu überstehen. Das hat eine Studie von Aurora Energy Research gezeigt. Je nach Szenario gehen die Wissenschaftler*innen davon aus, dass im Tagebau Garzweiler bis 2030 noch 93 bis 124 Millionen Tonnen Braunkohle gefördert werden müssen, um den Energiebedarf in der Krise zu decken. Lützerath müsste dafür nicht weichen. Denn erst ab etwa 170 Millionen Tonnen Bedarf wäre die Kohle dort notwendig.

Der Handel zwischen RWE, der Landesregierung und Bundesklima- und Wirtschaftsminister Robert Habeck geht sogar noch weiter über diese Bedarfsrechnungen hinaus. In den maßgeblichen Gutachten wird die Förderung von bis zu 280 Millionen Tonnen Kohle allein aus dem Tagebau Garzweiler II in Aussicht gestellt. Diesen Blanko-Scheck zur Abbaggerung stellten Bundes- und Landesregierung ohne Not aus. Zur Lösung der aktuellen Energiekrise ist laut Aurora Energy Research noch für Jahre genug Kohle vorhanden. Anstatt mit aller Kraft den Ausbau der Erneuerbaren fortzusetzen, wird eine Hintertür zur Kohleförderung offengehalten.

Olaf Bandt – Klimakolumne
Olaf Bandt ist Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)

Dass RWE nicht auf eine echte Energiewende setzt, zeigt das Agieren im rheinischen Revier. Öffentlich betont der Konzern zwar stets, die Energiewende vorantreiben zu wollen. Gleichzeitig sorgte RWE bei den Verhandlungen aber dafür, bis zu 280 Millionen Tonnen Kohle abbaggern zu können. Es ist eine Wette darauf, dass die Energiewende sich verzögert, weil der Ausbau von Wind und Sonne länger dauert als vorgesehen. Der Konzern und seine Kohlekraftwerke könnten davon profitieren. Das ist offenbar die Strategie von RWE. Die Landesregierung schaut zu.

Politisch soll mit dem Kohleausstieg 2030 die Räumung des Symbols Lützeraths für die Grünen verschmerzbar werden. Nach dem Motto: Das Kleine wird dem Großen geopfert. Und nach der Kohle im Westen soll die im Osten folgen. Jüngst erklärte Robert Habeck, dass der Kohleausstieg nun auch in den Tagebauen der Leag auf 2030 vorgezogen werden müsse. In der Sache richtig, doch der Deal im Westen darf nicht als Vorbild für eine Einigung im Osten dienen.

2022 erlebte die Kohle eine Renaissance. Der Ersatz von Erdgas ließ die Emissionen des Energiesektors kräftig steigen. Laut Berechnungen der Agora Energiewende stagnieren deshalb die deutschen CO2-Emissionen, statt zu sinken. Wenn der Abschaltplan im Rheinland bestehen bleibt und auf die Reviere in Ostdeutschland ausgeweitet wird, droht der Energiesektor sein CO2-Restbudget deutlich zu überschreiten. Durch die verlängerte Laufzeit einzelner Kohleblöcke ergeben sich bis 2024 bereits Mehremissionen von bis zu 61 Millionen Tonnen. Bis 2030 könnte das Budget des Energiesektors um bis zu 189 Millionen Tonnen CO2 überschritten werden.

Vor diesem Hintergrund fordern Umweltverbände gemeinsam mit der Klimabewegung, dass Robert Habeck seinen Kurs korrigiert. Die Bundesregierung muss den Kohleausstieg 2030 in ganz Deutschland so umsetzen, dass das Klimaschutzgesetz eingehalten wird. Das heißt vor allem, die CO2-Emissionen aus der Kohlenutzung müssen verringert werden. Dies war eine zentrale Vorgabe der Kohlekommission. Sollte es weitere Abmachungen mit den Kohlekonzernen geben, dürfen diese nicht mehr im Geheimen verhandelt werden. Nur Transparenz und eine Beteiligung der Zivilgesellschaft sorgen dafür, dass der Klimaschutz ambitioniert ausgestaltet wird.

Deshalb kämpfen Aktivist*innen um Lützerath
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