Nicht nur Spinner

Ermittlungen gegen Gruppe um Prinz Reuß und Birgit Malsack-Winkemann gehen weiter

Die Reichsbürger-Razzia im Dezember beschäftigt das Parlament. Im Verfassungsschutzausschuss diskutierten die Abgeordneten am Montag die Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden über die »Patriotische Union«, die Gruppe der militanten Verschwörungstheoretiker, gegen die sich die Razzia richtete. Der Linken-Innensprecher Niklas Schrader betonte zu Beginn, dass bundesweit verschiedene Sicherheitsbehörden an den Vorbereitungen zu dem Schlag gegen die Verschwörerszene beteiligt gewesen seien, darunter auch der Berliner Verfassungsschutz.

Am 7. Dezember hatten mehr als 5000 Polizisten in elf Bundesländern Räume durchsucht und 25 Menschen festgenommen, denen die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen wird. Sie sollen einen Staatsstreich geplant haben. Zu den Festgenommenen zählte auch die Berliner Richterin und Ex-AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann. Sie sollte nach der Machtübernahme das Justizministerium übernehmen und war aktiv an den Vorbereitungen des geplanten Sturms auf den Bundestag beteiligt. Bei der Razzia wurden auch zahlreiche Waffen gefunden.

Innenstaatssekretär Torsten Akmann (SPD) musste sich in seiner Antwort kurz halten, da nur ein Teil der Erkenntnisse des Verfassungsschutzes öffentlich behandelt werden kann. Demnach handele es sich bei der »Patriotischen Union« um einen Zusammenschluss von rund 50 Personen, von denen die Hälfte in Untersuchungshaft sitze. Die Gruppe habe die staatliche Ordnung durch eine »eigene Staatsordnung zu ersetzen« versucht. Um das zu erreichen, sei der Einsatz von militärischen Mitteln und Gewalt geplant gewesen, so Akmann über die Gruppe, zu der auch zahlreiche ehemalige Soldaten und Offiziere gehörten.

Ideologisch habe die Gruppe sich auf ein Amalgam aus Reichsbürger-Überzeugungen und Verschwörungstheorien bezogen. Neben Malsack-Winkemann seien in Berlin keine weiteren Angehörigen der Gruppe festgenommen worden. Der Verfassungsschutz sei seit Mai des vergangenen Jahres über die Ermittlungen informiert gewesen. Seine Erkenntnisse scheint er offensichtlich nicht weitergegeben zu haben: Im Oktober entschied das Richterdienstgericht, dass Malsack-Winkemann, an deren Verfassungstreue es schon länger Zweifel gab, im Richterdienst verbleiben könne.

Anhaltspunkte für Fehlverhalten der Landesbehörden gebe es aber nach aktuellem Stand nicht, so Vasili Franco, Innensprecher der Grünen-Fraktion. Die Pläne der Verschwörergruppe sieht er als einen »Vorgang von ganz besonderer Qualität«. Es handele sich um »ein Netzwerk, das mit militärischen Mitteln und Waffengewalt die Macht erobern wollte«, so Franco. Die bisherigen Ermittlungen zeigten, dass die »Patriotische Union« nicht nur ein loser Gesprächskreis gewesen sei, sondern es handfeste Vorbereitungen gegeben habe. »Polizei und Gesellschaft haben die Reichsbürger zu lange belächelt«, sagt er.

Auch Linke-Innenexperte Niklas Schrader glaubt, dass die Reichsbürger zu lange unterschätzt worden seien. »Schon vor der Razzia hätte klar sein sollen, dass das nicht nur Spinner sind«, so Schrader. Die Szene sei gut organisiert und arbeite teilweise konspirativ. Daraus ergebe sich ein »terroristisches Potential«. Durch die Verbindung zu adeligen Millieus – Anführer der »Patriotischen Union« war Heinrich XIII. Prinz Reuß – gebe es auch finanzielle Ressourcen. Auch Vasili Franco betont, dass Teile des Reichsbürger-Milieus zu »eiskalten Morden« fähig seien. Das zeige sich auch an den Ereignissen im Oktober 2016 im bayerischen Georgensgmünd, wo ein Reichsbürger das Feuer auf Polizisten eröffnete und einen tötete.

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