Rodung in Frankfurt

Hessischer Linke-Chef Jakob Migenda aus Baumhaus geräumt

Eine Woche nach dem Beginn der Räumung im Braunkohledorf Lützerath ist auch in Frankfurt am Main mit der Räumung eines Baumbesetzerdorfes von Klimagerechtigkeitsaktivist*innen begonnen worden. Eigentlich sollte die Räumung des Fechenheimer Waldes schon früher beginnen, aus Hessen waren deswegen keine Polizeieinheiten ins Rheinische Revier entsandt worden, aber juristische Auseinandersetzungen verzögerten den Räumungsbeginn. Ein Waldbesetzer hatte gegen ein Betretungsverbot geklagt, die Naturfreunde Deutschland hatten mit einem Eilantrag versucht zu erreichen, dass der vom Aussterben bedrohte Heldbockkäfer besser geschützt wird. Beide Klagen scheiterten vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel und dem Frankfurter Verwaltungsgericht.

Am Mittwochmorgen rückte die Polizei also mit Kräften der Bereitschaftspolizei und zum Klettern ausgebildeten Polizist*innen von Sondereinsatzkommandos in dem besetzten Waldstück an. Die kleine Gemeinschaft der Besetzer*innen – die Polizei geht von etwa 20 aus – wurde zum freiwilligen Verlassen des Waldes aufgefordert. Andernfalls werde man sie mit unmittelbarem Zwang räumen. Die Räumungen begannen mit bei Sonnenaufgang.

Der besetzte Teil des Fechenheimer Waldes soll für Arbeiten am Riederwaldtunnel genutzt werden. Die bundeseigene Autobahn GmbH möchte auf dem Gelände zwei Baustraßen errichten. Der etwa zwei Kilometer lange Tunnel ist Teil des Lückenschlusses zwischen den Autobahnen 66 und 661 im Frankfurter Osten. Begonnen wurde mit den Planungen des Autobahnprojekts in den 1960er Jahren. Seit den 1980ern gibt es Widerstand und immer wieder juristische Auseinandersetzungen, die den Bau verzögerten. Über den Nutzen des Riederwaldtunnels gibt es unterschiedliche Auffassungen. Projektbefürworter*innen versprechen sich von ihm eine Entlastung für den Verkehr in der Stadt. Gegner*innen prognostizieren etwas weniger Verkehr auf den Straßen aus der Stadt hinaus, bei gleichzeitiger Zunahme des Verkehrs hinein. Ob der Tunnel zu einer wirklichen Entlastung der Verkehrssituation beiträgt, ist jedenfalls nicht geklärt.

Was hingegen seit dem letzten Sommer bekannt ist, ist dass der Heldbockkäfer im Rodungsbereich lebt. Besetzer*innen hatten das vom Aussterben bedrohte Tier entdeckt. Danach wurde die Population wissenschaftlich erforscht. Das Ergebnis: Weit über 1000 Käfer könnten im Wald wohnen. Die Autobahn GmbH passte ihre Planungen an, sie will nun einige Bäume erstmal stehen lassen und die provisorische Baustraße, um die Bäume, in denen der Käfer lebt, herum laufen lassen.

Als die Räumung am Mittwochmorgen begann, verschickten die Besetzer*innen des Fechenheimer Waldes ein wütendes Statement. Den Wald zu zerstören sei »pure Gewalt«, Gewalt, der »Normalzustand im faschistoid-patriarchalen Kapitalismus« sei, erklärte ein Aktivist, der sich Linus nennt. Für ihn und die anderen Besetzer*innen sei klar, dass man den Wald »kompromisslos verteidigen« müsse. Ein anderer Aktivist erklärte, man wolle sich »der Zerstörungswut und dem veralteten Tunnel« entgegenstellen. Die Entscheidung für den Autobahnbau zeige, dass die Politik in der Klimafrage und bei der Verkehrswende »fundamental versagt«.

Einer der ersten Baumbesetzer, die geräumt wurden, war Hessens Linke-Landeschef Jakob Migenda. Er befindet sich seit Montag im Baumhausdorf. Migenda erklärte, er wolle sich für den Erhalt eines wertvollen Naturraums einsetzen. Gegenüber »nd« schilderte er seine Räumung als professionell. Von polizeilicher Seite sei »alles ordentlich abgelaufen«. Verständnis für die Rodung hat er nicht. »Autobahnprojekte aus den 1970er Jahren zu verhindern oder zumindest zu erschweren ist im Angesicht der Klimakrise mehr als angebracht«, erklärte Migenda.

Ein Bild von der Lage haben sich auch Hessens Ministerpräsident Boris Rhein und sein Innenminister Peter Beuth (beide CDU) gemacht. Rhein erklärte, der Einsatz sei für die Durchsetzung der »demokratischen Grundordnung« notwendig. Die Besetzer*innen forderte er auf, den Wald zu verlassen. Friedlicher Protest sei erwünscht. Am Mittwochnachmittag befand sich nur noch eine einstellige Zahl an Besetzer*innen in den Bäumen. Baumfällungen hatten begonnen. Der Einsatz im Fechenheimer Wald wird voraussichtlich am Donnerstag weitergehen.

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