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Hanna Poddig: »Ich betrachte Knäste als dumme Idee«
Hanna Poddig tritt eine siebentägige Ersatzfreiheitsstrafe an
Am Donnerstag hat Hanna Poddig eine siebentägige Ersatzfreiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne angetreten. Poddig war im Dezember 2023 zu einer Geldstrafe von 140 Euro verurteilt worden. Ihr Vergehen: Teil einer Waldbesetzung in Flensburg gewesen zu sein. Die Aktivist*innen in Flensburg protestierten gegen ein Parkhaus und Hotelneubauprojekt, im Oktober 2020 besetzten sie das Bahnhofswäldchen. Im Frühjahr 2021 wurde die Besetzung von der Polizei geräumt, zahlreiche Bäume wurden dabei gefällt. Allerdings erwirkte ein Umweltverband kurze Zeit später gerichtlich einen Baustopp. »Zwar sind viele Bäume gefällt worden und die Räumung hat massiv Menschenleben gefährdet, aber ich sehe die Besetzung dennoch als Erfolg: Zum Einen steht dort bis heute kein Neubau und zum Anderen hat die breite Solidarisierung gezeigt, dass richtig viele Leute in Flensburg nicht in Ordnung finden, wie belanglos Bäume für die Verwaltung sind. Die vielen Beteuerungen und Versprechen der Politik zum Klimaschutz sind nichts als leere Propaganda«, zieht Hanna Poddig ein positives Fazit des Protests.
Der Gang ins Gefängnis ist für die 39-Jährige eine politische Entscheidung. »Eine bezahlte Strafe bleibt ebenso eine Strafe, nur weitgehend unsichtbar«, erklärt Poddig. Sie ist seit vielen Jahren in der radikalen Linken aktiv. Politisch sozialisiert wurde sie, wie sie selbst im Januar in einem Gastbeitrag im »nd« schrieb, in der Anti-Castor-Bewegung im Wendland. Danach wurde sie in Medien etwa als »Container-Hanna« und »Vollzeitaktivistin« bekannt. Eine Bezeichnung die ihr heute, wegen der inflationären Benutzung des Begriffs der Aktivistin, nicht mehr gefällt. Lieber lässt sie sich als »mit dem System unversöhnliche Anarchistin« bezeichnen.
Angst vor dem Knast hat Poddig nicht. Sie hat schon zweimal längere Ersatzfreiheitsstrafen für mehrere Wochen teilweise abgesessen. Im Gespräch mit »nd« sagt Poddig, dass sie Knäste als »dumme Idee betrachtet« und ihre Inhaftierung als »Praxisteil meiner knastkritischen Recherche« ansieht. Nach den vorherigen Aufenthalten in den Justizvollzugsanstalten Frankfurt am Main und Hildesheim lernt sie mit Bielefeld auch ein neues Gefängnis kennen.
Die Kritik an Justizsystem und Repression gehören auch zu Poddigs publizistischen Schwerpunkten. Außerdem hat sie als Teil eines Kollektivs Übersetzungen von anarchistischen Schriften aus den USA erstellt und mehrere Bücher und Buchbeiträge zur Umwelt- und Anti-Atom-Bewegung veröffentlicht.
In diesem Frühjahr ist ein Buch von Poddig erschienen, das nur schwer in die Reihe passt: Eine Recherche zur rechten, esoterischen Anastasia-Bewegung. Corona hat sie zu dem Thema gebracht, erzählt Poddig. In Flensburg wollte sie genauer wissen, wer bei den »Schwurbel«-Demos mitläuft. In der Stadt war das auch ein Ableger der Anastasia-Bewegung. Grund genug für eine tiefere Recherche. Poddig warnt vor einer völkischen, antisemitischen Bewegung, die unauffällig, aber »tief verwurzelt in der rechtsradikalen und esoterischen Szene« sei.
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