Inflation für arme Familien bei 8,8 Prozent

Teuerung traf 2022 einkommensschwache Haushalte härter als reiche

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.

Einkommensschwache Haushalte litten vergangenes Jahr unter einer deutlich höheren Inflationsrate als der Rest der Bevölkerung. Lag die allgemeine Inflationsrate im Jahr 2022 bei 7,9 Prozent, so verteuerte sich das Leben für arme Familien um 8,8 Prozent. Dies geht aus dem am Donnerstag veröffentlichten Inflationsmonitor des Instituts für Markoökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hervor. Für einkommensstarke Singles lag die Inflationsrate demnach hingegen nur bei 6,6 Prozent.

Dass sich das Leben für Arme besonders stark verteuerte, liegt daran, dass sie einen besonders großen Teil ihres Einkommens für Energie und Lebensmittel ausgeben müssen. Und die Preise für diese beiden Warengruppen stiegen im vergangenen Jahr besonders schnell. So war Haushaltsenergie im Jahr 2022 um 39,1 Prozent teurer als ein Jahr zuvor, leichtes Heizöl und Erdgas sogar um 87 beziehungsweise 64,8 Prozent. Auch Nahrungsmittel verteuerten sich mit 13,4 Prozent stark.

Aufgrund dieses Umstandes berechnet das IMK die jeweilige Inflationsrate für neun unterschiedliche Haushaltstypen. Dabei ermitteln die Ökonom*innen auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamtes die für unterschiedliche Haushalte typischen Konsummuster. So lässt sich gewichten, wer für zahlreiche verschiedene Güter und Dienstleistungen wie viel ausgibt und daraus die haushaltsspezifische Preisentwicklung errechnen. Demnach sind einkommensschwache Familien bei der Berechnung zum Beispiel Paarhaushalte mit zwei Kindern und einem Monatseinkommen von 2000 bis 2600 Euro. Einkommensstarke Singlehaushalte haben nach dieser Definition ein Nettomonatseinkommen von mehr als 5000 Euro zur Verfügung.

Auch wenn sich die allgemeine Inflationsrate im Dezember gegenüber November auf 8,6 Prozent abschwächte, lag sie für arme Haushalte laut den IMK-Berechnungen noch bei 9,8 Prozent, während sie für reiche Singles 7,1 Prozent betrug. Der Grund für den Rückgang der Teuerung lag in den gesunkenen Inflationsraten für Energie und Lebensmittel sowie den staatlichen Entlastungsmaßnahmen. Letztere verringerten die Inflation laut IMK im Schnitt um 1,0 Prozentpunkte, wobei deren Effekt bei einkommensschwachen Singles mit 1,1 Prozent am stärksten und bei einkommensstarken Alleinlebenden sowie Familien mit 0,6 Prozentpunkten am schwächsten war.

So haben die Maßnahmen durchaus positive Effekte gehabt. »Allerdings haben sie die soziale Schere bei der Teuerung nur etwas verkleinern können, beileibe nicht schließen«, schreiben die Studienautorin und der Studienautor Silke Tober und Sebastian Dullien. Das Problem, dass Haushalte mit niedrigem bis mittlerem Einkommen aktuell auch besonders hohe Inflationsbelastungen tragen, werde dadurch verschärft, dass vor allem Ärmere grundsätzlich besonders unter starker Teuerung leiden. Die Alltagsgüter, die sie vor allem kaufen, sind kaum zu ersetzen. Zudem besitzen diese Haushalte kaum Spielräume, ihr Konsumniveau durch Rückgriff auf Erspartes aufrechtzuerhalten.

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