Der Rohstoff für die Energiewende

Deutschland importiert noch zwei Drittel seines Bedarfs an seltenen Erden aus China

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Die schwedische Wirtschaftsministerin Ebba Busch beherrscht das politische Showbusiness wie ihr deutscher Amtskollege Robert Habeck (Grüne). Als das staatliche schwedische Bergbauunternehmen LKAB kürzlich die Entdeckung des angeblich größten Vorkommens seltener Erden in Europa bekanntgab, hatte Busch im nordschwedischen Kiruna einen blendenden Auftritt. »Die Elektrifizierung, die Selbstversorgung der EU und die Unabhängigkeit von Russland und China werden in der Mine beginnen«, versprach die Ministerin, während sie unter ihrem blauen Sicherheitshelm charmant in die Kameras lächelte.

Seltene Erden sind wichtige Rohstoffe, etwa für die Herstellung vieler Technologieprodukte wie Akkus für Smartphones und Halbleiter für Computer. Vor allem aber geht bei der Energiewende wenig ohne sie. Seltene Erden werden zum Beispiel für Magnete für Elektroautos oder für den Bau von Windrädern benötigt. Sie sind sozusagen der Rohstoff der Energiewende.

Seltene Erden werden hierzulande allerdings kaum gefördert – umso größer ist die Abhängigkeit vom Import. Wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte, wurden von Januar bis November vergangenen Jahres rund 5300 Tonnen seltene Erden importiert. Zwei Drittel davon, 65,9 Prozent, wurden aus China eingeführt. Bei einigen der seltenen Erden lag der Anteil der Importe aus Fernost sogar noch deutlich höher. Die Metalle Scandium und Yttrium kamen fast vollständig aus China.

Mengenmäßig weniger ins Gewicht fallen seltene Erden aus Krisenregionen wie beispielsweise dem Kongo. Dort liegt in der Grenzregion zu Ruanda ein Großteil der weltweit genutzten Coltan-Vorkommen. Coltan ist zwar im engen Sinn keine seltene Erde, sondern ein besonders teures Mineralgemisch, das für Fernsehbildschirme und Flugzeugmotore gebraucht wird.

Die aus dem Bedarf an importierten seltenen Erden erwachsene Abhängigkeit der deutschen Industrie ist nicht neu. Bereits 2010 hatte die Bundesregierung eine Rohstoffstrategie verabschiedet, um die Versorgung zu sichern. Hier wie auch in der Überarbeitung zehn Jahre später ging es vor allem um bilaterale Partnerschaften mit Förderländern – sehr zum Ärger der umwelt- und entwicklungspolitischen Organisationen im »Arbeitskreis Rohstoffe«. »Die bisherige Rohstoffpolitik Deutschlands geht auf Kosten von Mensch und Umwelt weltweit, verstetigt den global ungerechten Handel«, heißt es seitens der Gruppen. Bilaterale Abkommen behinderten häufig die Weiterverarbeitung von Rohstoffen in den Förderländern. Kritisiert wird auch der hohe Verbrauch an Primärrohstoffen.

Mit den steigenden Preisen wuchs zugleich das Interesse der Industrie. Das norwegische Unternehmen Reetec hat über die Jahre eine neuartige, hocheffiziente Aufbereitungsanlage für seltene Erden entwickelt. Diese läuft im Pilotmaßstab seit 2019 im südnorwegischen Porsgrunn. Der deutsche Bilfinger-Konzern hat Reetec bereits beim Bau dieser Pilotanlage unterstützt. Nun soll eine große Industrieanlage entstehen, die Bilfinger projektiert.

Alle 16 seltenen Erden finden sich üblicherweise in denselben Mineralvorkommen und müssen daraus separiert werden. »Ihre Trennung in einzelne Elemente von hoher Reinheit ist aufgrund ihrer chemischen Ähnlichkeit schwierig und teuer«, so Bilfinger. Die norwegische Anlage soll vor allem Neodym und Praseodym extrahieren. Das sind Elemente, die in Permanentmagneten Einsatz finden, die für die Motoren von Windkraftanlagen benötigt werden. Die Fabrik soll ab 2024 etwa fünf Prozent des geschätzten Bedarfs in der EU abdecken.

Das Projekt zielt wie viele andere darauf ab, eine Wertschöpfungskette für seltene Erden in Europa zu etablieren. Für Rückenwind sorgen die Energiewende und die dadurch weiter steigende Nachfrage. Dazu gehört die Erschließung eigener Vorkommen an seltenen Erden in Europa und die Entwicklung eigener Aufbereitungs- und Separationstechnologien für diese Rohstoffe. Diese werden inzwischen von der EU-Kommission als strategisch wichtig gefördert.

»Anders als ihr Name nahelegt, sind die meisten Seltenerd-Elemente nicht selten«, heißt es aus der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). Die durchschnittliche Anreicherung in der Erdkruste sei ähnlich hoch wie bei Kupfer. Es war vor allem der niedrige Weltmarktpreis, der dazu führte, dass die Suche nach und Förderung von seltenen Erden in den Industriestaaten weitgehend eingestellt wurde. Später sorgte die erstarkte Umweltbewegung im globalen Norden dafür, dass Wirtschaft und Politik den schmutzigen Bergbau in Schwellen- und Entwicklungsländer auslagerten.

Noch bis Ende der 80er Jahre waren die USA das größte Förderland. Ab der Jahrtausendwende stieg dann der Anteil Chinas. Erst seit wenigen Jahren nimmt dessen Anteil ab, weil Australien, Myanmar und die USA angesichts rasant gestiegener Weltmarktpreise ihre Bergwerksförderung ausbauen. So dominiert China zwar aktuell den Weltmarkt, aber der Anteil des Landes an den weltweiten Ressourcen liegt lediglich bei 20 Prozent.

Auch in Europa, aber vor allem auf Grönland existieren gewaltige, bislang unberührte Lagerstätten. Dass nun Schweden vorprescht, hängt auch mit der großen Bedeutung zusammen, die der Bergbau in Skandinavien nach wie vor hat. Ein Großteil der Technik stammt aus Deutschland. Dort wurden seit den 80er Jahren alle Gruben geschlossen und damit hörte auch die Exploration auf.

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