Brandenburgs Bauern in der Bredouille

Klimawandel, Krieg und Energiekrise – die Landwirtschaft leidet unter den Folgen

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 4 Min.

Brandenburgs Landwirtschaft hat mit einer Reihe von Krisen zu kämpfen. Am Donnerstag debattierte der Landtag diese Situation. Dabei forderte Agrarminister Axel Vogel (Grüne), der selbst gebürtig in Westdeutschland ist, das von seinem Parteifreund Cem Özdemir geführte Bundeslandwirtschaftsministerium auf, seine Westbrille abzulegen und in der Förderpolitik die sich von Westdeutschland unterscheidenden Bedingungen und Unternehmensgrößen in Ostdeutschland zu beachten.

Für die oppositionelle Linke nutzte der Abgeordnete Thomas Domres die Gelegenheit zu einer Abrechnung mit der Regierungspolitik. Er verwies auf den Rückgang der Zahl der brandenburgischen Aussteller bei der laufenden Agrarmesse Grüne Woche in Berlin. »Was ist da passiert?«, wollte Domres wissen. Er hat eine Ahnung. Demnach liegt es an der Unfähigkeit der von SPD, CDU und Grünen gebildeten Landesregierung, auf die Herausforderungen der Zeit angemessen zu reagieren. Von der angekündigten »Nutztier-Strategie« sowie von der erforderlichen »Dünge-Strategie« sei nichts zu sehen. Der »Insektendialog« sei ergebnislos abgebrochen worden. Die begrüßenswerten Maßnahmen zur Vermarktung regionaler Erzeugnisse würden nicht mit einer Werbekampagne flankiert, weil Haushaltsmittel dafür nicht zur Verfügung stehen. Das aber reduziere die Wirkung der Maßnahmen. Domres zufolge ist auch »die Kommunikation mit dem Berufsstand mangelhaft«. Mancher Konflikt hätte sich vermeiden lassen, wenn nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg entschieden worden wäre. Die Notwendigkeit neuer Schlachtkapazitäten werde zwar gesehen, doch »offenbar ist das gescheitert«. Das Fazit des Politikers: »Diese Koalition hat die Landwirtschaft bisher nicht
gestärkt.«

Die Abgeordnete Christine Wernicke (Freie Wähler) störte, dass vor zwei Jahren eine quasi identische Landtagsdebatte stattgefunden habe, konkrete Maßnahmen aber ausgeblieben seien. Sie gab dem endlich »Machen« allem weiteren Debattieren den Vorzug.

Es sei »guter Brauch«, in zeitlicher Nähe der Grünen Woche die Lage der Landwirtschaft im Landtag zu besprechen, sagte hingegen Agrarminister Vogel. Mit 2,2 Millionen Euro Fördermitteln für die Brandenburghalle 21a bei der Agrarmesse verfolge die Landesregierung ernsthafte Ziele. Es gehe nicht primär darum, sich dort auf dem Messegelände »Häppchen und Schnittchen« servieren zu lassen. Er selbst führe die Vertreter großer Einzelhandelsketten durch die Halle. Dabei werden Lieferverträge abgeschlossen. »Das ist das Ziel«, erklärte Vogel.

Der Verzehr von Schweinefleisch sei in den vergangenen Jahren von 36 Kilogramm pro Kopf und Jahr auf 29 Kilogramm gesunken. »Der Weltmarkt für Schweinefleisch schrumpft«, gab der Minister zu bedenken. Daher sei es klar, dass weniger Schweine gehalten werden. Allerdings gehen die Bestände in Brandenburg überdurchschnittlich zurück, räumte Vogel ein. Dem stellte er die guten Ergebnisse der Milchbauern und Rinderzüchter sowie der Getreideproduzenten gegenüber. Dies sei um so höher zu bewerten, als es nicht möglich sei, auf den leichten Sandböden Brandenburgs (»Karnickelsand«) Lebensmittel zu Weltmarktpreisen erzeugen. Es bleibe also wichtig, im regionalen Markt die Liefer- und Wertschöpfungsketten zu schließen.

Aufgrund extrem geringer Niederschläge bewege sich das Land in Richtung Steppenklima. Zwar seien die Betriebsergebnisse im vergangenen Jahr ansprechend gewesen, doch in den fünf Jahren davor hätten Landwirte von ihrer Substanz zehren müssen. Im Schatten des Ukraine-Krieges haben 38 Prozent der Bauern ihre Investitionsvorhaben zurückgestellt, informierte der Minister. Habe der Lebensmittelmarkt zuvor eher dämpfend auf die Inflation gewirkt, so sei er nun Inflationstreiber.

Grünen-Fraktionschef Benjamin Raschke äußerte den Verdacht, dass »Aldi, Lidl & Co« die »Gunst der Stunde« nutzten, um mit ungerechtfertigten Aufschlägen auf die Lebensmittelpreise die Kunden »abzuzocken«. Mit einem »schärferen Kartellrecht« wolle Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) für faire Preise sorgen.

»Die Landwirtschaft ist systemrelevant«, erklärte SPD-Fraktionschef Daniel Keller. Er kündigte an, künftig auch die bislang vergessenen Obstbauern in die Stützungsförderung einzubeziehen. Keller erinnerte daran, dass die Zahl der unterernährten Menschen auf dem Erdball um 200 Millionen zugenommen habe. Vor diesem Hintergrund sei es wichtig, dass Deutschland seine Lebensmittelproduktion ausweitet. Hoffnung mache die »unglaubliche« Erhöhung der Produktivität. Ernährte ein Landwirt um 1900 noch vier Personen, seien es 1950 schon zehn Personen gewesen und heute 139. Tatsache ist aber auch, dass sich in den vergangenen 60 Jahren die Zahl der Menschen auf dem Erdball verdreifachte. Bis 2050 werden es zehn Milliarden sein, schätzte der SPD-Abgeordnete Johannes Funke.

»Wir können nicht düngen und Pflanzenschutzmittel einsetzen, als ob es kein Morgen gibt«, mahnte CDU-Fraktionschef Jan Redmann. Dem großen Anspruch an die Ernährungswirtschaft werde man »weder mit der Mentalität von 1870 noch mit der Mentalität von 1970 gerecht«. Er rügte die AfD für ihren Vorschlag, Schüler als Erntehelfer einzusetzen. Das sei ein »Dokument der Rückwärtsgewandtheit und der fehlenden Sachkenntnis«.

»Kauft regionale Lebensmittel – jetzt erst recht!« So lautet der Appell von Brandenburgs Bauern. Hanka Mittelstädt von der Vermarktungsorganisation Pro Agro und Inhaberin der Ucker-Ei GmbH sagte kürzlich zur Situation der Landwirte: »Das Wasser steht uns bis zum Hals.« Die Branche melde Umsatzeinbrüche von 20 bis 30 Prozent, Hofläden machen sogar 40 Prozent weniger Umsatz. Angesichts der gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreise sparen die Kunden, wo sie nur können.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal