Ortegas krude Manöver

Martin Ling über die Abschiebung von Polithäftlingen aus Nicaragua

Es ist eine Schnapszahl, eine Schnapslaune ist es nicht: 222 politische Gefangene hat Nicaraguas Präsident Daniel Ortega in einer Nacht- und Nebelaktion am Donnerstag in die USA abschieben lassen. Wohin die Reise ging, wurde den Gefangenen erst klar, als die Busse nicht zum Modelo-Gefängnis ganz in der Nähe des Flughafens abbogen, sondern zum Flughafen selbst.

Ortegas Version ist, dass es keinen Tauschhandel gegeben habe. Freilassung ohne irgendeine Bedingung an die USA, die Sanktionsschrauben wenigstens zu lockern. Und Ortega zeigte sich überrascht, dass die US-Botschaft in Managua das bedingungslose Angebot akzeptiert habe.

Die Darstellung von US-Außenminister Antony Blinken widerspricht dem nicht. Die Freilassung der »zu Unrecht Inhaftierten« sei das Ergebnis gezielter US-amerikanischer Diplomatie und ein »konstruktiver« Beitrag zur Thematisierung von Menschenrechtsverletzungen in Nicaragua. Von irgendwelchen Bedingungen an Washington ist nicht die Rede. Allerdings davon, dass der Schritt einen weiteren Dialog zwischen den USA und dem zentralamerikanischen Land ermögliche. Von einem Dialog war bei Ortega nicht die Rede.

Welches Kalkül Daniel Ortega mit dieser Freilassung verfolgt, bleibt offen. Dass sich unter den Abgeschobenen alle sieben oppositionellen Kandidat*innen befinden, die er vor seiner umstrittenen Wiederwahl 2021 festnehmen ließ, macht klar, dass es ihm um eine Rückkehr zu demokratischen Verhältnissen nicht geht. Dass das Ortega ergebene nicaraguanische Parlament in einer Dringlichkeitssitzung einstimmig per Dekret die Ausbürgerung der als Landesverräter Titulierten beschloss, ist ein Akt der Willkür mehr. Ein weiterer Akt, der zeigt, dass Ortega mit seinem Latein nicht mehr weit vom Ende entfernt ist. Willkür ist keine dauerhafte Machtbasis.

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