Tscheburaschka: Propaganda in Plüsch

Die Filmfigur Tscheburaschka ist in Russland Star der Stunde – im Kino und im Krieg

  • Daniel Säwert
  • Lesedauer: 2 Min.
Russland: Tscheburaschka: Propaganda in Plüsch

Was macht man als Filmstudio, wenn einem keine Geschichten mehr einfallen? Man verfilmt alte einfach neu. Das geht nicht immer gut, doch Tscheburaschka hat es geschafft. Seit Januar poltert das Felltier mit seinen großen Ohren und dem unwiderstehlichen Blick, das in den 60ern und 70ern schon die Herzen der Sowjetkinder eroberte, über Russlands Leinwände und bricht alle Rekorde. Knapp 20 Millionen Menschen haben den Animationsfilm bereits gesehen und die Kinobetreiber wollen den Streifen »bis zum letzten Zuschauer« zeigen. Konkurrenz muss Tscheburaschka kaum fürchten, denn westliche Studios schicken ihre Blockbuster wegen des Krieges in der Ukraine kaum noch ins Land.

Russland ist im Tscheburaschka-Fieber und das knuffige Wesen ist überall. Auf Torten, T-Shirts und auch da, wo es vielleicht gar nicht sein möchte. Etwa bei den Rechtspopulisten der Liberalen. »Wer Tscheburaschka liebt, wählt LDPR«, propagierte die Partei bei einer Filmvorführung in Krasnojarsk. Oder an der Front in der Ukraine, für die Kinder Tscheburaschka-Puppen als Glücksbringer häkeln. Unter Russlands Invasionstruppen gibt es regelrechte Tscheburaschka-Kämpfer, die Aufnäher an ihren Uniformen angebracht haben und Bilder posten, wie sie für den Trickfilmhelden gegen Kiew ins Feld ziehen. All das als Reaktion auf ein Plakat in der ukrainischen Hauptstadt, auf dem das Wollwesen als Besatzer und das Anschauen des Films als pro-russisch gebrandmarkt wurde.

Viel Liebe bekommt Tscheburaschka in den südrussischen Städten Kislowodsk und Stawropol, die ein Denkmal für den kleinen Helden errichten wollen. Wenn er denn dem russischen Wertekanon entspricht. Genau daran hat der Schauspieler und Duma-Abgeordnete Dmitrij Pewzow seine Zweifel. Tscheburaschka sei voller LGBT-Propaganda, polterte Pewzow in einem Interview. Schließlich nennt Tscheburaschka seinen Freund Gena »Mutter«. Für den Politiker nicht nur ein Anschlag auf das staatlich propagierte Familienbild, sondern auch auf Russlands Kinder.

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