Wertvoll wie Panzerschokolade

Je länger Andreas Koristka nachdenkt, desto mehr Vorteile der Wehrpflicht fallen ihm ein

Der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius hat der »Süddeutschen Zeitung« verraten, was er von der Aussetzung der Wehrpflicht hält. Seine Antwort war für alle überraschend, die nicht wussten, dass Pistorius in der SPD ist: »Wenn Sie mich als Zivilisten fragen, als Staatsbürger, als Politiker, würde ich sagen: Es war ein Fehler, die Wehrpflicht auszusetzen.« Hätte man Pistorius als Brillenbesitzer, Scheitelträger oder Freund der routinemäßigen Morgenhygiene gefragt, wäre die Antwort sicherlich dieselbe gewesen.

Und er hat ja recht. Was waren das für wunderbare Zeiten, als an jedem Küchentisch mindestens ein Mann saß, der bei der Fahne gedient hatte. Es waren Männer, die noch wussten, wie man mit einer Gasmaske, einem Schlauch und ein paar Dosen Bier das beliebte Maskensaufen spielt. Wenn morgen der Russe käme, gäbe es viele Menschen, die auf dieses militärische Spezialwissen nicht mehr zurückgreifen könnten. Schlimmer noch: Viele wissen nicht, dass die Panzerhaubitze 2000, die vor einiger Zeit an die Ukraine geliefert wurde, bei automatisiertem Munitionsfluss von nur drei Mann bedient werden kann. Dabei ist militärische Bildung gerade für junge Menschen so wertvoll wie ein kleines Steak oder zumindest wie Panzerschokolade.

Andreas Koristka
Andreas Koristka ist Redakteur der Satire-Zeitschrift Eulenspiegel. Für »nd.DieWoche« schreibt er alle zwei Wochen die Kolumne »Betreutes Lesen«. Alle Texte unter: dasnd.de/koristka

Klar ist, dass bei einer hoffentlich bald wieder eingeführten Wehrpflicht auch Frauen, Diverse und andere Hippies eingezogen werden müssten. Denn wir brauchen alle bei der Verteidigung des Vater- und Mutterlandes! Dies wäre auch ganz im Sinne des alten Sponti-Spruches »Stell dir vor, es ist Krieg und die Armee ist schön bunt!«

Gerade unsere offene Gesellschaft muss beweisen, dass sie in militärischen Angelegenheiten totalitären Systemen in nichts nachsteht. Und wenn man ehrlich ist, hat die Armee noch nie jemandem geschadet, wenn er nicht gerade alle Gliedmaßen in einem Schützengraben verloren hat. Junge Menschen können hier geformt werden und etwas fürs Leben lernen. Zum Beispiel, warum die BRD eine GmbH ist. Die Bundeswehr hat sich in den letzten Jahren von einer maroden Truppe zum Nachwuchsleistungszentrum der Prepper- und Reichsbürgerszene gemausert. Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, dass die Soldaten ihr Wissen an junge Rekruten weitergeben können.

Zudem wäre es beruhigend zu wissen, dass jeder eine Waffe bedienen kann, die er sich im Ernstfall im Darknet besorgt, um Deutschland zu verteidigen oder sich am alten Deutschlehrer oder der Ex-Freundin zu rächen. Dafür brauchen wir aber nun mal die Wehrpflicht.

Aber die wichtigste Frage ist: Tut eine Wehrpflicht der Wirtschaft gut? In Zeiten des Fachkräftemangels kann unsere Wirtschaft nicht auf die junge Generation von Auszubildenden verzichten. Wollen Sie etwa noch länger auf den Gas- und Wasserinstallateur warten? Oder schlimmer noch: Wollen Sie darauf warten, dass Ihr Auto repariert wird, während sich der potenzielle Mechatroniker während seiner Grundausbildung im Schlamm amüsiert?

Es kann also nur einen sinnvollen Weg geben: Deutschland braucht die Wehrpflicht nicht vor dem Berufseinstieg, sondern nach dem Berufsausstieg. Davon würden vor allem die Alten profitieren. Für sie wäre eine einjährige Dienstpflicht nicht nur eine schöne Abwechslung im drögen Alltag, sondern auch eine willkommene Gelegenheit, ihre Rente aufzubessern.

Wenn es zum Krieg käme, wäre ihr Tod gesellschaftlich viel leichter zu verkraften und die Rentenkasse würde entlastet. Man müsste Boris Pistorius mal als Verteidigungsminister fragen, was er davon hält.

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