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Wessen Zukunft?

Eine Wunschliste von Karlen Vesper für das Zukunftszentrum in Halle

Während in Frankfurt (Oder), in Eisenach und Jena die Tränen noch nicht getrocknet sind, werden in Halle wohl weiter die Sektkorken knallen. Vielleicht fließt auch Champagner. Oder Saale-Unstrut-Wein. Hala Saxonum, einst reiche Hansestadt dank ergiebiger Salzquellen und Heimstätte der Leopoldina, der ältesten naturwissenschaftlichen Akademie Deutschlands, hat die Auslobung der Bundesregierung für ein »Zukunftszentrum Deutsche Einheit« gewonnen. Gratulation!

Unsagbar traurig sind die Mitkonkurrenten Plauen, bekannt vor allem für zarte Spitze (auch in VEB-Produktion!) und weniger bekannt als jene Stadt, in der die ersten Demonstrationen im Wendeherbst ’89 stattfanden, sowie Leipzig, die »Heldenstadt der Friedlichen Revolution«.

In dem als Museum und Begegnungsstätte geplanten Zentrum sollen Erfahrungen und Leistungen der Ostdeutschen seit der »Vereinigung« gewürdigt werden. Löblich. Man wünschte sich, dass zudem die respektablen Biografien aus DDR-Zeiten sichtbar gemacht würden, bislang vielfach schnöde ignoriert oder gar diffamiert. Dokumentiert und diskutiert werden sollte in diesem Zentrum die rigide Abholzung ostdeutscher Industrie-, Wissenschafts- und Kulturlandschaft, Abwicklung und Arbeitslosigkeit. Und die Degradierung ostdeutscher Betriebe, so ihnen gnädig von westdeutschem Kapital weitere Existenz gegönnt ward, zur verlängerten Werkbank der Tycoons an Rhein und Ruhr. Aufzulisten und zu reden wäre über den demografischen Aderlass und die immens gestiegene Zahl von Suiziden unter Ostdeutschen, denen der Lebenssinn nach 1990 abhandenkam.

Was das mit »Zukunft« zu tun hat? Sehr viel. Ohne Ehrlichmachung keine Einheit. Um wessen Zukunft soll es denn gehen? Um die jener, die weiter walten und schalten wollen nach Gutdünken?

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