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  • Nordische Ski-WM in Planica

DSV-Skispringer: Mit Wärmflasche und Teamgeist zum Erfolg

Gold für die Frauen, Silber und Bronze für Männer: Das deutsche Skisprungteam feiert bei der WM seine Wiederauferstehung

  • Lars Becker, Planica
  • Lesedauer: 4 Min.
Wieder ganz vorne mit dabei: Andreas Wellinger sprang im dunklen Abendhimmel von Planica zur silbernen WM-Medaille.
Wieder ganz vorne mit dabei: Andreas Wellinger sprang im dunklen Abendhimmel von Planica zur silbernen WM-Medaille.

»Die Nummer 1, die Nummer 1, die Nummer 1 der Welt sind wir.« Immer wieder sangen Deutschlands Skispringerinnen begeistert ihren Lieblingssong in der Skisprung-Arena von Planica. Zum ersten Mal war das Lied nach dem historischen Einzel-Gold von Katharina Althaus zu hören gewesen, am Samstag konnten die deutschen Frauen dann nach dem souveränen Triumph im Teamwettbewerb den zweiten Weltmeister-Titel feiern.

Inspiriert davon holten danach fast sensationell Andreas Wellinger Silber und Karl Geiger Bronze im Einzelspringen der Männer. Eine sportliche Wiederauferstehung nach einer bislang enttäuschenden Saison samt Absturz bei der Vierschanzentournee. Deutschland ist damit tatsächlich die Fliegernation Nummer 1 der Welt und wird die starke Gesamtbilanz der Heim-Weltmeisterschaften vor zwei Jahren in Oberstdorf (vier Medaillen/zweimal Gold) deutlich übertreffen. Zumal es nach dem Mixedspringen am Sonntagabend in der zweiten WM-Woche noch drei weitere Goldchancen gibt.

»Das war weltmeisterlich. Die Jungs sind mit einer unglaublichen mentalen Stärke wahnsinnig gut Ski gesprungen«, schwärmte der sonst so zurückhaltende Männer-Bundestrainer Andreas Horngacher sichtlich berührt: »Katharina Althaus und die Mädels haben uns brutal geholfen. Die haben das durchgehämmert und die Jungs sind mitgegangen. Jetzt haben wir unser Minimalziel schon übertroffen.« Nur der Pole Piotr Żyła, der mit einem Schanzenrekord in einem verrückten Springen von Platz 13 nach dem ersten Durchgang noch die erfolgreiche Titelverteidigung schaffte, verhinderte den totalen deutschen Triumph.

Davon hätte vor sieben Wochen nach einem der schlechtesten deutschen Tournee-Ergebnisse aller Zeiten niemand zu träumen gewagt. Nach dem Debakel war sogar der in den Vorwintern so erfolgreiche Chefcoach Horngacher massiv unter Druck geraten. »Nach der Tournee sind wir ziemlich in Schwimmen geraten. Aber Stef hat die Ruhe behalten – großes Lob an die Trainer, sie haben uns super gecoacht«, schwärmte Karl Geiger.

»Wir haben nicht bei anderen gesucht, was sie besser machen, sondern uns gefragt: Was müssen wir besser machen? Woran fehlt es?«, fügte Andreas Wellinger hinzu. Neben der perfekten Sprungform dürfte das Thema Sprung-Anzug dabei ein wichtiges Puzzlestück gewesen sein. Horngacher hatte schon vor der WM zu Protokoll gegeben, dass es die deutschen Skispringer zumindest beim Saison-Auftakt mit den »Material-Regeln zu genau« genommen hätten. Andere Top-Nationen sprangen mit größeren Anzügen, was ihre Tragfläche in der Luft und damit die Erfolgschancen deutlich verbesserte – und zu Vorwürfen des Material-Betrugs führte.

Bei der WM war Deutschland wieder auf einem Material-Level mit den anderen – und konnte feiern. Karl Geiger, König der WM 2021 in seiner Heimat Oberstdorf vor zwei Jahren mit insgesamt vier Medaillen, zeigte wieder einmal seine unglaubliche Stärke bei Großereignissen. Und Andreas Wellinger, der in jungen Jahren schon Doppel-Olympiasieger und Weltmeister geworden war, schaffte nach fünfjähriger Leidenszeit mit vielen Verletzungen endlich die Rückkehr aufs Podest. »Unglaublich cool, diese Medaille hat einen sehr hohen Stellenwert. Ich habe in den letzten Jahren immer wieder auf den Sack bekommen, aber ich habe nie aufgegeben.«

Ähnlich war es auch bei den deutschen Frauen, die 2021 im Jahr des Abschieds von Erfolgscoachs Andreas Bauer als Team den Kontakt zur Weltspitze verloren hatten. Mit dem neuen Bundestrainer Maximilian Mechler wurde ein Neuanfang gestartet und der Teamgeist gestärkt. »Wir haben uns alle gern. Jede macht das, was das Beste für sie ist, aber wir sind alle füreinander da. Und ab und zu machen wir auch mal Party zusammen«, erklärte Anna Rupprecht, die neben Althaus, Selina Freitag und Luisa Görlich den Team-Weltmeistertitel gewann.

»Wir haben ein geiles Team, das sich gegenseitig unterstützt«, fügte Althaus hinzu. Das gilt auch sportartenübergreifend: Direkt nach ihrem Goldtriumph eilten die Skispringerinnen an die Langlauf-Strecke und feuerten Kombinierer Julian Schmid auf dem Weg zu Einzel-Silber an. Althaus wird übrigens den Bruder des erfolgreichen Winterzweikämpfers – Patrick Schmid – im April heiraten. 

Team-Weltmeisterin Rupprecht nutzte die große WM-Bühne an diesem Gold-Wochenende auch, um ein Tabu zu brechen. Wie zuvor Alpin-Weltstar Mikaela Shiffrin bei der WM sprach sie das Thema Monats-Zyklus und Regelschmerzen im Frauen-Sport an. »Wir sind so ein feinfühliger Sport. Und wenn es mal nicht so gut läuft, sollte man auch sagen können: ›Ich habe meine Tage.‹« Das deutsche Trainer-Team um Chefcoach Mechler gehe glücklicherweise sehr offen und »ultracool« mit diesem Thema um: »Die sagen dann auch mal, dass wir uns mit einer Wärmflasche ins Bett legen können.« Ein weiteres Mosaiksteinchen, warum Deutschland die Nummer 1 im Fliegersport ist – und Katharina Althaus mit sechs WM-Titeln die erfolgreichste Skispringerin aller Zeiten.

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