Italiens Rechte streiten über Ukraine-Kurs

Regierungspartner in Rom uneins, ob sie Unterstützung oder Verhandlungen für Kiew wollen

  • Wolf H. Wagner
  • Lesedauer: 3 Min.

Auch in Italien stand der 25. Februar im Zeichen der Friedensdemonstrationen. In vielen Städten und Gemeinden gingen die Menschen für einen sofortigen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine auf die Straße. Auch der jährliche Friedensmarsch Perugia-Assisi stand im Zeichen des Friedens in Osteuropa.

Sofortigen Waffenstillstand und Verhandlungen mit Moskau hatte auch Silvio Berlusconi gefordert, Chef der Forza Italia, die der Regierungskoalition angehört. Mit seinen Aussagen hatte er für erhebliche Irritationen am Rande des Besuches von Giorgia Melonis, Chefin der postfaschistischen Fratelli D’Italia und seit vier Monaten Ministerpräsidentin, in Kiew gesorgt. Meloni beeilte sich, ihrem Gastgeber Wolodymyr Selenskyj zu versichern, Berlusconis Meinung sei seine private und stimme keineswegs mit der der italienischen Administration überein. Roms Solidarität sei uneingeschränkt und werde sich auch in Zukunft in weiteren Waffenlieferungen beweisen.

Selenskyj kontert

Der ukrainische Präsident machte seinem Ärger umgehend Luft und konterte, weder sei eine Bombe auf Berlusconis Haus gefallen noch seien Panzer in seinem Hinterhof aufgetaucht und hätten Angehörige getötet. Der 1936 geborene Ex-Cavalliere nahm den Ausbruch Selenskyjs mit – wie Medien berichteten – »Verwunderung zur Kenntnis«. Immerhin sei er in den vierziger Jahren vor den Kriegsgräueln geflohen und wisse sehr wohl, welche Angst Krieg und Bombennächte auslösen könnten.

Der verbale Austausch zwischen den beiden Politikern trifft jedoch nur am Rande den Kern des Problems: Die politisch Verantwortlichen in der Regierung in Rom sind sich keineswegs über eine bedingungslose Unterstützung Kiews einig. Während Meloni gegenüber EU und Nato versichert, Italien werde sich ohne Einschränkung an die Bündnisverpflichtungen halten und die Ukraine in ihrem Kampf unterstützen, gehen ihre Koalitionspartner eher auf milde Distanz. Sowohl Berlusconi als auch der Chef der ebenfalls rechten Lega, Matteo Salvini, pflegten in der Vergangenheit enge und gute Kontakte zu Kremlchef Wladimir Putin. Und so ist man sich derzeit in Rom uneins, ob größere Waffenlieferungen oder ein Drängen auf Waffenstillstand und Verhandlungen schneller zum Ende der Kampfhandlungen und der Abwehr einer globalen Bedrohung führen könnten.

Italiens Linke Kollateralopfer

Wie in anderen europäischen Staaten ist auch in Italien die linke Bewegung ein »Kollateralopfer« des Krieges in der Ukraine. Den kleinsten gemeinsamen Nenner findet man vielleicht noch in der Be- oder Verurteilung des russischen Angriffskrieges, doch in der Stellung dazu, wie der Konflikt zu beenden sei, gehen die Meinungen bereits deutlich auseinander. Die eher konservativ und katholisch eingestellten Kreise um den scheidenden Vorsitzenden des Partito Democratico (PD), Enrico Letta, befürworten die Unterstützung der Ukraine mit Waffenlieferungen, da sie deren Bestreben für legitim erachten, ihre territoriale Integrität zu verteidigen. Andere Linke indes geben zu bedenken, dass die Reduzierung auf das durchaus auch nationalistisch anzusehende Konstrukt Aggressor-Angegriffener allein eine Lösung nicht herbeiführen kann.

Abgesehen davon, dass die militärische Unterstützung der Ukraine Italien bereits bis zu einer Milliarde Euro gekostet hat, verweisen Kritiker auf den Artikel 11 der Verfassung: »Italien lehnt den Krieg als Instrument des Angriffs auf die Freiheit anderer Völker und als Mittel zur Lösung internationaler Kontroversen ab.« Das schließt eine Verurteilung des russischen Angriffs ein, aber auch eine zeitlich nicht mehr absehbare Eskalation des Konflikts. Viele Linke innerhalb und außerhalb des PD fordern deshalb sofortigen Waffenstillstand. Die Zerrissenheit, die sich auch in der Fünf-Sterne-Bewegung bemerkbar macht, schwächt die Opposition gegen die Rechtsregierung erheblich. Eine erste Quittung erhielt Mitte-Links bei den gerade abgehaltenen Regionalwahlen. Die Regierung Meloni kann nun unbeschwerter regieren als zuvor – falls die Diskrepanzen in den eigenen Reihen nicht doch noch für Turbulenzen sorgen.

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