Klimastiftung mit Tarnauftrag

Heftige Kritik im Bundestag an Schweriner Regierung nach Verbrennung einer Akte der Landeseinrichtung

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 4 Min.
Mit dem »Blue Ship« wollte die Klimastiftung die Gaspipeline Nord Stream 2 trotz internationaler Sanktionen fertigstellen.
Mit dem »Blue Ship« wollte die Klimastiftung die Gaspipeline Nord Stream 2 trotz internationaler Sanktionen fertigstellen.

Der Streit um die politische Verantwortung für die zur Unterstützung des Baus der Gaspipeline Nord Stream 2 gegründete Stiftung Klima- und Umweltschutz Mecklenburg-Vorpommern ist nach der Verbrennung von Steuerunterlagen der Stiftung durch eine Finanzbeamtin im Wortsinne wieder aufgeflammt. Am Mittwochnachmittag waren die Stiftung und der Umgang der Landesregierung von SPD und Linkspartei damit auf Antrag der CDU/CSU-Fraktion Gegenstand einer aktuellen Stunde im Bundestag.

Die Christdemokraten mussten sich indes darauf hinweisen lassen, dass die CDU im Nordosten die Gasleitung vor dem Beginn des russischen Angriffs gegen die Ukraine genau wie die SPD befürwortet hatte. Folgerichtig musste Philipp Amthor, Chef der CDU-Landesgruppe Mecklenburg-Vorpommern, einräumen, dass man zum Zeitpunkt der Stiftungsgründung zusammen mit Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) regiert habe. »Das alles ist aber kein Blankoscheck für Kamin-Gate, das ist kein Blankoscheck dafür, dass der Finanzminister jetzt das Parlament belügt«, meinte Amthor.

Der Rostocker FDP-Bundestagsabgeordnete Hagen Reinhold sprach von einer »politischen Farce« und warf der Landesregierung neben Tricks und Lügen mangelndes Unrechts- und Fehlerbewusstsein vor. Sein Fraktionskollege Michael Kruse forderte gar den Rücktritt von Schwesig: »Es ist unerträglich, wie lange sie als Marionette von Moskau im Amt bleiben kann«, wetterte er.

Die Stiftung hatte durch Auftragsvergaben im Umfang von 165 Millionen Euro maßgeblich zur Fertigstellung von Nord Stream 2 beigetragen. Wegen des Ukraine-Kriegs ging die Pipeline aber nicht in Betrieb. Ein im Schweriner Landtag auf Betreiben der Opposition eingerichteter Sonderausschuss soll die Umstände der Stiftungsgründung, ihr Wirken und die Rolle von Schwesig untersuchen. Die Stiftung hatte 20 Millionen Euro von Nord Stream 2, einer Tochter des russischen Staatskonzerns Gazprom, erhalten. Das Unternehmen hat nachweislich direkten Einfluss auf Formulierungen in der Stiftungssatzung genommen.

Schon vor der aktuellen Stunde hatte der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Alexander Dobrindt, die Stiftung als kriminell bezeichnet. Der Vorsitzende der Unionsfraktion, Friedrich Merz, sprach von »geradezu ungeheuerlichen Vorgängen«, die eine parlamentarische Aufarbeitung nötig machten.

Während der Aussprache sagte CDU-Generalsekretär Mario Czaja, die Stiftung habe den alleinigen Zweck gehabt, Nord Stream 2 »unter allen Umständen noch ans Netz zu bringen«. Der Klimaschutz sei nur Tarnung gewesen. Schwesig sei ihrer Linie als Gazprom-Lobbyistin noch Ende Januar 2022 treu geblieben, »als russische Truppen schon bis an die Zähne bewaffnt an der Grenze zur Ukraine standen«, so der Bundestagsabgeordnete. Die Schweriner Staatskanzlei, wetterte Czaja, habe als »Generalunternehmer des Kremls« und »langer Arm Putins« agiert. Zum Schicksal der Steuerakte sagte der CDU-Politiker, das Ganze habe wie »ein seichter Ostseekrimi« begonnen, nun aber habe man es mit einem handfesten politischen Skandal zu tun. Dieser wiederum schade Deutschland und der Demokratie.

Abgeordnete von SPD, Grünen und Linke warfen der Union vor, lange selbst »glühende Nord-Stream-2-Freunde« gewesen zu sein. Sie wiesen darauf hin, dass es eine CDU-Landesjustizministerin gewesen sei, die die Klimastiftung binnen 24 Stunden genehmigt habe. Die Stralsunder Grünen-Bundestagsabgeordnete Claudia Müller sagte, es sei deutlich geworden, »dass beim Fingerzeig der CDU auf Manuela Schwesig und die SPD drei Finger auf sie zurückweisen«.

Erik von Malottki (SPD) befand, bei der aktuellen Stunde handele es sich um die Schmutzkampagne einer »Männerclique« gegen Schwesig und die 26-jährige Finanzbeamtin, die die Akte anfangs nicht wiedergefunden hatte und sie dann aus Angst vor beruflichen Konsequenzen verbrannt habe. Man möge »alles diskutieren, aber die Beamtin da nicht mit hineinziehen«. Auch Linksfraktionschef Dietmar Bartsch wertete die Bundestagsdebatte als »ziemlich durchschaubaren Versuch der Union, eine Landesregierung, ein Bundesland und eine Ministerpräsidentin zu beschädigen«. Er bat ebenfalls, die Beamtin aus der Diskussion herauszulassen.

Die im Bundestag von der Opposition geforderte schonungslose Aufklärung dürfte mittlerweile unschwer möglich sein, hat doch die Stiftung die Landesregierung vom Steuergeheimnis befreit. Dieses hatte zuvor den Schweriner Finanzminister Heiko Geue (SPD) nach eigenen Angaben bei Untersuchungen behindert.

Dieser Darstellung widersprach am Mittwoch indes der Noch-Vorstand der Stiftung, Erwin Sellering (SPD). Sie beruhe nicht auf Tatsachen, heißt es in einer Pressemitteilung der Stiftung. Und weiter: »Nicht wir haben eine Offenlegung aller Umstände verhindert, sondern das Ministerium.« Der Stiftungsvorstand habe bereits im Mai 2022 die Befreiung vom Steuergeheimnis erteilt.

Derzeit läuft ein Rechtsstreit zwischen Stiftung und Land zur Frage, ob die Stiftung auf die von der Nord Stream 2 AG beigesteuerten 20 Millionen Euro Schenkungssteuern in Höhe von fast 10 Millionen Euro entrichten muss. Sellering hält es für möglich, dass Schwesig dabei aussagen muss, sollten mündliche Absprachen zwischen der Stiftung, dem Land und Nord Stream 2 AG angezweifelt werden. Sellering hält zudem die geplante Auflösung der Stiftung weiter für rechtlich nicht möglich, woraus seiner Ansicht nach strafrechtliche Konsequenzen resultieren könnten. »Die Rücksichtslosigkeit, mit der dies einfach übergangen wird und wir ›vors Loch geschoben‹ werden sollen, um von eigenem Fehlverhalten abzulenken, hat uns durchaus bestürzt«, erklärte der frühere Schweriner Regierungschef.

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