Trennung auf Raten

Wolfgang Hübner über den Verzicht Wagenknechts auf eine erneute Linke-Kandidatur

Dass Sahra Wagenknecht bei der nächsten Bundestagswahl nicht erneut für Die Linke kandidieren will, ist keine Überraschung. Es ist nur ein weiterer Hinweis darauf, dass sie ihre eigenen Wege gehen will. In der Linkspartei hat sie begeisterte Anhänger wie erbitterte Gegner. Der Landesverband Nordrhein-Westfalen, wo sie dreimal die Landesliste für den Bundestag anführte, wählte sie zuletzt nur noch mit gut der Hälfte der Stimmen zur Spitzenkandidatin. Kurz zuvor hatte sie ihr Buch »Die Selbstgerechten« veröffentlicht, das Teile der Linken als massiven Angriff verstanden – und auch so gemeint war. Gelungen war damit vor allem eines: die Marketingkampagne für das Buch.

Seit Jahren steht Sahra Wagenknecht in entscheidenden Fragen konträr zu ihrer Partei. Das war so bei der Flüchtlingsdebatte ab 2015, in der Coronakrise, jetzt angesichts des Ukraine-Kriegs. Die wachsende Entfremdung ist mit Händen zu greifen. Dieser Tage bezeichnete sie Die Linke als »Partei, der ich noch angehöre«. Solche Äußerungen befeuern Spekulationen über einen Austritt und eine neue Parteigründung. Nächstes Jahr sind Europawahlen, dann gilt wahrscheinlich nur eine 3,5-Prozent-Hürde. Das könnten Wagenknecht und Co. als Sprungbrett für die Bundestagswahl 2025 betrachten. Allerdings dürfte ihnen das Scheitern der Aufstehen-Bewegung eine Warnung sein. Und Umfragen, denen zufolge sich bis zu 20 Prozent vorstellen können, eine Wagenknecht-Partei zu wählen, klingen spektakulär, sind aber nicht viel wert. Am Ende könnte es passieren, dass Die Linke und eine Wagenknecht-Partei den Einzug in den Bundestag verfehlen. Aber vielleicht muss sich trennen, was nicht mehr zusammengehört. Mit allen Risiken.

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