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Gropiusstadt: Nervosität im Block

Durch Modernisierungen in der Gropiusstadt werden Wohnungen für viele Mieter schwer bezahlbar

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 5 Min.

Die Gropiusstadt erfährt derzeit besondere Aufmerksamkeit. Mit »Sonne und Beton« widmet sich die Verfilmung von Felix Lobrechts autobiografischem Roman dem Aufwachsen mit Geldproblemen in dem oft als sozialen Brennpunkt beschriebenen Ortsteil von Neukölln. Aufmerksamkeit hätten derzeit auch die Mieter des Unternehmens Gropiuswohnen gern. Weil sie sich gegen die Modernisierung ihrer Wohnungen wehren, droht die Firma ihnen mit der Duldungsklage, um die Mieter so zu einer Duldung der Arbeiten zu bringen. Am Dienstagabend soll bei einer Mieterversammlung sondiert werden, wer bereit ist, in die gerichtliche Auseinandersetzung mit Gropiuswohnen zu gehen. 

Dass Gropiuswohnen modernisiert, ist keine Neuigkeit. »Jedes Jahr sind neue Hausgemeinschaften an der Reihe und sie haben noch ganz schön was vor sich«, sagt Tony Pohl. Er ist Linke-Politiker in der Gropiusstadt und Teil der Vernetzungsinitiative Mietentisch. Pohl sagt, dass Mieterhöhungen nach Modernisierungen die zentrale Gewinnstrategie von Gropiuswohnen sei. »Sie versuchen überall, die Miete auf über acht Euro den Quadratmeter zu erhöhen.« Der Firma Gropiuswohnen gehörten über 4000 Wohnungen in der Gropiusstadt. Auch in der Gropiusstadt stiegen die Mieten an, heißt es vom Sprecher des Bezirksstadtrats Jochen Biedermann (Grüne). »Neben den Mieterhöhungen, die sich aus der Anpassung an den Mietspiegel erklären, lässt sich ein Großteil auf die Umlage von Modernisierungen zurückführen.«

Doch den aktuellen Fall wollen die Mieter nicht mitmachen. Sie hätten einen Formfehler in der Modernisierungsankündigung entdeckt. Zwar besteht bei solchen Modernisierungen eine Duldungspflicht. Gropiuswohnen fordert die Mieter aber unter anderem im Ulrich-von-Hassell-Weg in der Modernisierungsankündigung von Dezember auf, Baufreiheit zu schaffen, sobald die Termine für die Arbeiten mitgeteilt würden. Das bedeutet, dass private Anbauten wie beispielsweise Markisen entfernt werden sollen. 

Mit einem Schreiben verweigern etwa 50 Mieter ihre Zustimmung zu der Modernisierung. Sie sind überzeugt, dass sie die Modernisierungsarbeiten nicht aktiv unterstützen müssen. Verwiesen wird auf ein Urteil des Landgerichts Berlin (65 S 124/18) von 2018, wonach Modernisierungsankündigungen unwirksam sind, bei denen der Vermieter verlangt, die Maßnahmen »über die Gewährung des Zugangs zu den vermieteten Räumen hinaus« aktiv zu unterstützen. Eine Duldung bedeute schon dem Wortsinn nach keine solche Verpflichtung. »Klar könnte Gropiuswohnen einfach eine neue Modernisierungsankündigung ohne Fehler verschicken. Dann könnte sie aber aufgrund der dreimonatigen Frist nicht schon im April mit den Arbeiten anfangen«, sagt Pohl. 

Das Unternehmen selbst sieht die bereits verschickte Modernisierungsankündigung als rechtlich einwandfrei an. Eine »nd«-Anfrage blieb bis Redaktionsschluss zwar unbeantwortet. Aber in ihrem Schreiben an die Mieter argumentiert die Firma damit, dass sie lediglich den Rückbau von baulichen Veränderungen verlange, die ohne Genehmigung von den Mietern selbst vorgenommen worden seien. Außerdem erklärt sie, dass sie in dem Ankündigungsschreiben von Dezember den Mietern auch anbiete, die Schaffung der Baufreiheit zu übernehmen, wenn ihnen das selbst nicht möglich sei. »Auch dieser Umstand kann selbstverständlich nicht zu einer Unwirksamkeit der ausgesprochenen Ankündigungen führen«, schreibt das Unternehmen. 

Wer Recht hat, müsste gerichtlich entschieden werden. Die Mieter hätten aber durchaus Angst, den nächsten Schritt der Auseinandersetzung zu gehen, berichtet Pohl. Denn mit dem Schreiben von Gropiuswohnen werden renitente Mieter auch »letztmalig« aufgefordert, die Duldungserklärung bis spätestens 10. März abzugeben. Für den Fall des Ausbleibens kündigt das Unternehmen eine Duldungsklage an. »Eine Verzögerung der Duldung hat nicht nur Kosten in einem gerichtlichen Verfahren, sondern gegebenenfalls auch nicht unerhebliche Schadensersatzansprüche der Vermieterin zur Folge«, so Gropiuswohnen. 

»Wir sind hier nicht in den Innenstadtbezirken, wo Mieter mehr Erfahrung haben, sich gegen Vermieter zur Wehr zu setzen, und wo man vielleicht auch privat mit Anwälten befreundet ist«, sagt Pohl. »Die Nervosität und Angst, die die Androhung einer Duldungsklage ausgelöst hat, ist sehr groß.« Die Mieter wollten keine Auseinandersetzung vor Gericht eingehen. Zugleich würden sie sicherlich Geld sammeln, wenn es doch so kommen sollte. Was die Mieter wirklich wünschten und wobei der Mietertisch sie auch unterstütze, sei ein »Verhandlungsgespräch« mit Gropiuswohnen. Denn Pohl sagt auch: »Gropiuswohnen ist nicht ganz so perfide wie andere Unternehmen und zeigt sich immer wieder gesprächsbereit.« 

Die Kosten für die Modernisierung sind auf zwei Euro den Quadratmeter gekappt. Das Unternehmen garantiert, dass es vor 2030 keine weitere Mieterhöhung geben wird, sollte die Nettokaltmiete nach der Modernisierung auf über acht Euro je Quadratmeter steigen. Doch für viele Mieter ist das immer noch viel Geld. Eine Studie im Auftrag des Bezirks zeige darüber hinaus, dass vergleichbare Modernisierungen für unter einem Euro je Quadratmeter Modernisierungsumlage durchführbar seien, meint Pohl. 

Austausch von Fenstern, Dämmung der obersten Geschossdecke und der Fassade, zweifache Verglasung der Laubengänge: Die Maßnahmen, die Gropiuswohnen durchführen will, gehören zu dem, was für den klimagerechten Umbaus de Gebäudebestandes auch andernorts dringend notwendig wäre, weil dadurch der Energieverbrauch gesenkt werden kann. Doch die gesetzlichen Möglichkeiten, die Kosten auf die Mieter umzulegen, und das Fehlen großzügiger Förderprogramme machen energetische Sanierungen zu einer sozialen Herausforderung.

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