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Deutsche Post: Zeichen stehen nach der Urabstimmung auf Streik

Verdi-Mitglieder stimmen bei Urabstimmung für unbefristete Arbeitsniederlegung bei der Post

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 4 Min.

Bei der Deutschen Post stehen die Zeichen auf Streik. In einer Urabstimmung stimmten 85,9 Prozent der Verdi-Mitglieder im Konzern gegen die Annahme des Tarifangebots der Arbeitgeber, wie die Dienstleistungsgewerkschaft am Donnerstag mitteilte. Damit ist der Weg frei für einen unbefristeten Streik – mindestens 75 Prozent mussten dafür gegen das Arbeitgeberangebot stimmen. »Das Ergebnis der Urabstimmung zeigt die Entschlossenheit unserer Mitglieder, für ein gutes Tarifergebnis zu kämpfen«, erklärte die stellvertretende Verdi-Vorsitzende und Verhandlungsführerin Andrea Kocsis. »Die Arbeitgeber sind gut beraten, dieses Votum sehr ernst zu nehmen.«

Vom 20. Februar bis vergangenen Mittwoch konnten die Gewerkschaftsmitglieder bei der Post ihr Votum über den unbefristeten Streik abgeben. Zu der Urabstimmung ist es gekommen, nachdem Verdi im Februar ein von der Post in der dritten Verhandlungsrunde abgegebenes Angebot ablehnte. »Das von den Arbeitgebern vorgelegte Angebot ist weit von unseren Forderungen entfernt«, begründete die Kocsis den Schritt. Die Arbeitgeber seien nicht bereit gewesen, die Reallohneinbußen der Beschäftigten auszugleichen. »Insbesondere die lange Laufzeit von 24 Monaten und die geringe Entgelterhöhung im Jahr 2024 erhöht das Risiko weiterer Reallohnverluste«, so Kocsis.

Die Dienstleistungsgewerkschaft ging mit der Forderung nach 15 Prozent mehr Gehalt in die Verhandlungen für die rund 160 000 Tarifbeschäftigten der Deutschen Post AG, die Teil des DHL-Konzerns ist. Die Laufzeit des neuen Tarifvertrages sollte nach dem Willen von Verdi zwölf Monate betragen und die Ausbildungsvergütungen für jedes Ausbildungsjahr um 200 Euro pro Monat angehoben werden. Das Angebot der Konzernleitung sah monatliche steuer- und abgabenfreie Inflationsausgleichs-Sonderzahlungen von 150 Euro in diesem Jahr und 100 Euro im nächsten Jahr vor. Hinzu sollten zwei tabellenwirksame Festbetragserhöhungen von 150 beziehungsweise 190 Euro kommen. Derzeit verdienen die Briefträger*innen und anderen Tarifbeschäftigten der Deutschen Post in der Regel zwischen 2108 und 3090 Euro im Monat.

Laut Verdi ist das Angebot komplex, da es steuer- und abgabenfreie Zahlungen mit tabellenwirksamen Festbeträgen kombiniert. Dies ergebe individuell prozentual unterschiedliche Auswirkungen. Letztlich bedeutet es laut Verdi jedoch Entgelterhöhungen im Schnitt von lediglich 9,9 Prozent bei einer Laufzeit von 24 Monaten, wobei die erste tabellenwirksame Erhöhung erst relativ spät im Januar nächsten Jahres erfolgen soll.

Zuletzt kam es im Jahr 2015 zu einem unbefristeten Streik bei der Deutschen Post. Rund vier Wochen dauerten die Arbeitsniederlegungen an, bis Verdi für die Beschäftigten eine Einmalzahlung von 400 Euro sowie Lohnerhöhungen in zwei Schritten von insgesamt 3,7 Prozent erreichen konnte. Allerdings konnte die Gewerkschaft das eigentliche Ziel des Arbeitskampfes nicht erreichen: Dass der Konzern seine kurz zuvor gegründeten Regionalgesellschaften wieder auflöst beziehungsweise diese in den Haustarifvertrag mit Verdi aufgenommen werden. Denn in den ausgegründeten Gesellschaften erhielten die Beschäftigten weniger Gehalt.

Knapp vier Jahre später konnte Verdi dann doch erreichen, dass die rund 13 000 Beschäftigten der Regionalgesellschaften unter den Geltungsbereich des Haustarifvertrages kamen. »Jetzt gibt es wieder eine Belegschaft bei der Deutschen Post AG. Der Irrweg zweier Gesellschaften ist damit beendet. Darüber sind wir sehr froh«, freute sich Kocsis damals.

Angesichts des zugespitzten Arbeitskampfes drohte die Konzernspitze nun allerdings, dies wieder rückgängig zu machen und künftig verstärkt auf Outsourcing zu setzen. »Wir haben als Post für Deutschland über viele Jahrzehnte ein Betriebsmodell aufgebaut, das ausschließlich mit eigenen Kräften operiert. Wenn Verdi das jetzt alles vor dem Hintergrund kurzfristiger maximaler Lohnsteigerungen in Frage stellt, werden wir unser Betriebsmodell überdenken müssen«, drohte Post-Personalvorstand Thomas Ogilvie Mitte Februar. Dies würde sich auch auf die Arbeitsplätze auswirken. »Wenn wir nicht mehr ausreichend in neue Betriebsstandorte investieren können, stellt sich die Frage, ob wir diese Standorte weiter selber betreiben können und wollen, oder ob wir sie fremdvergeben«, so der Manager. Die Gewerkschafterin Kocsis wertete diese Wortmeldung denn auch als »einen weiteren Versuch, die Beschäftigten bei der Urabstimmung negativ zu beeinflussen«. Die Absicht hinter der angedrohten Ausgliederung sei klar: »Eine gute tarifliche Bezahlung soll durch Fremdvergabe umgangen werden.«

Zwar zeigte sich Personalvorstand Ogilvie sicher, bei möglichen Ausgliederungen genügend Personal zu den verschlechterten Bedingungen zu finden. Doch ob er damit richtig liegt, ist fraglich. Vergangenen Herbst sorgte die Post wegen massiv gestiegener Beschwerden wegen unpünktlicher Brief- und Paketzustellungen für Schlagzeilen. Der Grund war Fachkräftemangel. »Unsere Vorgesetzten wollen neues Personal einstellen, aber die meisten kommen unter diesen Bedingungen nach dem Probearbeiten nicht noch einmal wieder«, zitierte damals die »Wirtschaftswoche« einen anonymen Zusteller.

Vielleicht ist sich das Management seiner Sache aber auch nicht so sicher. Am Donnerstag forderte es Verdi auf, die Tarifverhandlungen diesen Freitag fortzusetzen. »Die Deutsche Post AG steht jetzt in der Verantwortung, durch eine deutliche materielle Verbesserung des abgelehnten Angebots einen unbefristeten Streik abzuwenden«, drohte nun Verdi-Verhandlungsführerin Kocsis vor der Fortsetzung der Verhandlungen.

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