Zores und Zimes

Zweierlei, manchmal aber auch Einerlei

  • Alexander Estis
  • Lesedauer: 4 Min.

Ihr wollt wissen, was Zores sind? Ich will euch sagen, was Zores sind. Aber lieber will ich euch sagen, was Zimes sind. Zimes sind nämlich süß und schmecken dabei auch noch gut, deshalb ist es schöner zu wissen, was Zimes sind, als zu wissen, was Zores sind. Und noch schöner ist es, zu wissen, was Zimes sind, und nicht zu wissen, was Zores sind.

Denn Zores (Sorgen, Ärger) und Zimes (süße Speise) sind nicht dasselbe, sondern mindestens zweierlei. Zores sind viel schlechter als Zimes. Oj, und wie sehr Zores schlechter sind als Zimes! Erstens sind Zores nicht so süß wie Zimes, zweitens schmecken sie nicht so gut, und drittens schmecken sie überhaupt nicht, weil man sie nicht essen kann. Trotzdem schlagen sie dir auf den Magen.

Allerdings schlagen manchmal auch Zimes auf den Magen, weil es nämlich Zores bedeuten kann, Zimes zu machen. Jeder Schmock kann sich Zores machen, und zwar nicht nur sich, sondern vor allem auch dir; aber längst nicht jeder Schmock kann Zimes machen, weder für sich noch erst recht für dich. So wird der Unterschied klar.

Zores und Zimes sind also unterschiedlich, obwohl Zores fast so klingt wie Zimes und sogar andersherum Zimes fast so klingt wie Zores. Aber Zores und Zimes haben nicht bloß einen Unterschied, sondern zwei: Nämlich einer davon sind Zimes und der andere sind Zores.

Also was sind Zores? Das wollt ihr gar nicht wissen. Denn schon zu wissen, was Zores sind, macht Zores; es schon wissen wollen, macht Zores; es schon wissen zu wollen glauben – auch das macht schon Zores! Zores sind schrecklich, Zores sind furchtbar, Zores sind grauenvoll. Deshalb heißen sie auch genau so, wie Zores heißen, und nicht ganz anders, zum Beispiel Zimes. Zores heißen so grauenvoll, man mag es gar nicht hören, man mag es gar nicht wissen!

Andererseits: Nicht zu wissen, was Zores sind, das macht noch mehr Zores, als es zu wissen, und zwar aus einem Grund, und dieser Grund ist: Zores wirst du haben, ob du weißt, was das ist, oder nicht, und da wäre es schon besser, es zu wissen.

Was sind also Zores? Das ist kompliziert. Und nicht nur kompliziert, sondern es ist sogar mehr als nur kompliziert. Sonst wären es noch längst keine Zores. Mit Zores hat man nie Menuche (Ruhe), sondern immer nur Mechume (Durcheinander). Zores sind, wenn alles kapojr (falschherum) ist, aber noch nicht kapores (kaputt). Zores sind nicht mehr nur oj, oj, aber noch nicht ganz oj wej.

Was also sind Zores? Besser, man redet nicht darüber. Denn: Geteilte Zores sind doppelte Zores.

»Ich hab Zores, weil ich weiß, meine Frau will mir fremdgehen, aber ich weiß nicht wo!« – »Du sagst es. Ich hab auch Zores, weil ich weiß, deine Frau will dir fremdgehen, aber ich weiß auch nicht wo!«

Die Menschen gehen einem fremd, aber die Zores, die hat man immer für sich. Die Zores sind einem treu.

»Itzik, ich wünschte, ich könnte dir abnehmen all deine Zores!« – »Oj, Sarele, darf ich das verlangen? Du hast mir schließlich schon abgenommen all meine Freude!«

Alle haben Zores, aber keiner gibt zu, dass die anderen auch Zores haben. Richtige Zores habe immer nur ich.

»Ich hab Zores, ich hab keine Frau.« – »Nu, das sind Zores? Ich hab richtige Zores, ich hab eine Frau!« – »Scha, eure Zores möcht ich haben! Ich hab richtige Zores, ich bin eine Frau!«

Als Frau habe ich aber nicht nur Zores, sondern muss dabei auch noch Zimes machen. Und da ist es schon besser, ich habe nur deshalb Zores, weil ich Zimes machen muss. Und noch besser wäre, ich hätte Zimes, weil ich mir Zores machen muss, denn dann würde ich mir erst gar keine Zores machen, weil ich ja schon Zimes hätte.

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