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  • Koalitionsverhandlungen in Berlin

CDU und SPD: Die neuen Klimaaktivsten

Schwarz-Rot in Berlin will milliardenschweres Investitionsprogramm für den Klimaschutz auflegen

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 4 Min.

Man wundert sich: Ausgerechnet CDU und SPD wollen den Klimaschutz in der Hauptstadt vorantreiben und hierfür ein milliardenschweres Investitionsprogramm auflegen. Beide Parteien haben sich in Berlin auf diesem Gebiet bislang nicht unbedingt als Speerspitze hervorgetan. »Wir wissen, dass wir einen neuen Schub reinbringen müssen im Bereich des Klimaschutzes«, sagte CDU-Landeschef Kai Wegner nun am Mittwoch nach einem Treffen der sogenannten Dachgruppe der beiden Koalitionspartner in spe.

Wie der wohl künftige Senatschef Wegner und die SPD-Landeschefin und Noch-Regierende Franziska Giffey erklärten, will Schwarz-Rot zu diesem Zweck ein Sondervermögen in Höhe von »mindestens« fünf Milliarden Euro auflegen. Konkret sollen die Gelder in drei eher unklar umrissenen Bereichen eingesetzt werden: bei der Gebäudesanierung, im Bereich Mobilität und Verkehr sowie bei der Energieerzeugung. Ende 2024 sollen die Maßnahmen bewertet und das Budget dann gegebenenfalls aufgestockt werden. Finanziert werden soll das gesamte Vorhaben über neue Kredite.

Nun bereiten der Berliner SPD neue Schulden bekanntlich nur begrenzt Bauchschmerzen. Bei der CDU sieht das schon anders aus. »Die fünf Milliarden Euro, die wir pro Jahr bräuchten, die werden natürlich als Schulden aufgenommen. Und es fällt einem CDUler extrem schwer, das zu machen«, betonte dann auch Danny Freymark, der umweltpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, am Dienstagabend bei einer Gesprächsrunde mit Grünen-Fraktionschef Werner Graf und Jessamine Davis, einer Sprecherin der Initiative Klimaneustart Berlin.

Davis ist eines der bekannten Gesichter des am Sonntag in einer Woche stattfindenden Volksentscheids »Berlin 2030 klimaneutral«. Der neuerliche Urnengang war auch das eigentliche Thema der Diskussionsveranstaltung, zu der die »Taz« eingeladen hatte. Freymark machte deutlich, dass es ihm persönlich ernst sei mit dem Klimaschutz. Aber: »Jetzt bin ich natürlich nicht allein in meiner Partei.« Wie die Berliner SPD-Spitze, die in der Vergangenheit beim Thema Klimaschutz fleißig gemauert hat, beschränkte sich auch das, was man von CDU-Chef Kai Wegner zuletzt hierzu gehört hat, auf das Stichwort »Klimaautobahn«, also den forcierten Weiterbau der A100 über Treptow hinaus Richtung Prenzlauer Berg und Lichtenberg.

Sollte der Volksentscheid am 26. März mehr Ja- als Nein-Stimmen bekommen und zugleich das Zustimmungsquorum von rund 613.000 Ja-Stimmen erreichen, hätte das neue Bündnis aus CDU und SPD jedenfalls ein Problem. Kai Wegner erklärte am Mittwoch zwar vorsorglich, dass das Fünf-Milliarden-Sondervermögen keine Antwort auf den Volksentscheid sei: »Wir lassen uns von niemandem unter Druck setzen.«

Fakt ist aber, dass in eineinhalb Wochen nicht irgendetwas Unverbindliches zur Abstimmung steht, sondern ein unmittelbar in Kraft tretendes Gesetz, mit dem sich Berlin verpflichten würde, bereits 2030 fast gänzlich klimaneutral zu werden. Bislang hat der Senat hier das Jahr 2045 als Zielmarke ausgegeben. Nun soll es also 15 Jahre früher so weit sein. Wie das realisiert werden soll, überlasse man zunächst der Politik, so Jessamine Davis: »Als Klimaneustart Berlin schlagen wir keine konkreten Maßnahmen vor.«

Danny Freymark sagte, dass er es gern sähe, wenn CDU und SPD bei einem Erfolg des Volksentscheids »alles dafür tun, dass es umgesetzt wird«. Allerdings bezweifle er, dass Berlin bis 2030 wirklich klimaneutral werden könne. Allein deshalb, weil die Stadt hierfür nach Schätzungen des Senats einen hohen zweistelligen Milliardenbetrag aufbringen müsste. Geld, das es andernorts, etwa im Sozialbereich, radikal einzusparen gelte. »Ich will daher nicht schon sagen: Man wird es nicht einhalten. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass es eingehalten wird, ist sehr, sehr gering.« Wie er selbst am 26. März abstimmen werde? Mit einem »maximal wertschätzenden Nein«.

Das war bis vor Kurzem auch die Haltung der Grünen-Spitze. Der Senatslinie folgend hieß es: Klimaneutralität bis 2030 ist ein tolles Ziel, aber praktisch nicht umsetzbar. Mit dem Wechsel auf die Oppositionsbank wirbt man nun offensiv für ein Ja beim Volksentscheid. Fraktionschef Werner Graf hatte am Dienstagabend die undankbare Aufgabe, diese Kehrtwende zu erklären. Graf versuchte es so: »Als Senat können wir nicht einfach sagen, wir stimmen dem zu, weil es zwar technisch möglich ist, aber nicht praktisch. Als Bürger würde ich immer sagen: Die Politik braucht möglichst viel Druck, dass sie möglichst viel Klimaschutz macht. Deshalb bin ich als Bürger jemand, der mit Ja stimmen wird.«

Dieser Druck auf den Senat werde notfalls mit Klagen einhergehen, sollte Schwarz-Rot einen erfolgreichen Volksentscheid nicht umsetzen, kündigte Graf an. Es werde »ja jetzt schon geweint, wenn irgendwo nur ein Parkplatz wegfällt«. Er sei daher »nicht sehr optimistisch«, dass sich der neue Senat an ein mögliches Ja der Berliner gebunden fühle.

Freymark hielt wacker dagegen: Vielleicht käme der Union ja »zugute, dass sie einen hohen Grad an Rechtstreue hat« – was angesichts diverser Parteiskandale in der Vergangenheit auch eine durchaus steile These ist. Aber Schwarz-Rot verspricht ja »eine Koalition für Erneuerung« zu werden.

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