Schwimmbecken statt »Klimaautobahn«

Die CDU freut sich auf einen Weiterbau der A100, Grüne und Linke wollen zurückbauen

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 4 Min.
Kein Schwimmbecken: der 16. Bauabschnitt der A100 – Berliner Grüne und Linke wollen verhindern, dass noch weitergebaut wird.
Kein Schwimmbecken: der 16. Bauabschnitt der A100 – Berliner Grüne und Linke wollen verhindern, dass noch weitergebaut wird.

Hätte man bei der Einladung zu der Veranstaltung schon gewusst, welche unfrohe Botschaft das Bundesverkehrsministerium in der vergangenen Woche aussendet, man hätte einen größeren Raum gewählt, ist sich Antje Kapek, Verkehrspolitikerin der Grünen im Abgeordnetenhaus, am Mittwochabend sicher. Die Bürgerinitiative A100 hat eingeladen, bis auf den letzten Platz ist der kleine Nachbarschaftstreff Rigatoni in Friedrichshain besetzt. Als gefragt wird, ob es überhaupt jemanden im Raum gibt, der für die Verlängerung der Bundesautobahn durch Friedrichshain bis Prenzlauer Berg ist, meldet sich nur eine Person.

Die Widerstände gegen den 17. Bauabschnitt sind gerade bei den Anwohnern, durch deren Kiez die Autobahn verlaufen würde, in den vergangenen Jahren noch einmal stark angestiegen. Eine über Jahre unbewohnbare Straße, Flächenversiegelung trotz Klimakrise, eine Zunahme des Verkehrs und der Verlust an Kulturorten: Die Liste der Argumente gegen den Bau ist lang. Trotzdem wird er von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) vorangetrieben. Die Autobahn GmbH hat mittlerweile ein Ingenieurbüro mit der Planung beauftragt. Nach der neuesten Variante soll nun auch die Storkower Straße bis zur Landsberger Allee ausgebaut werden.

»Es war ein Kardinalfehler, der FDP das Verkehrsministerium zu überlassen«, sagt Grünen-Landespolitikerin Kapek mit Blick auf die Ampel-Regierung im Bund. Man lehne jeden »Millimeter« des Baus ab. Auch Katalin Gennburg, Stadtentwicklungsexpertin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, ist vehement gegen den Weiterbau. Am liebsten wäre ihr, wenn auch über den im Bau befindlichen 16. Abschnitt, der teils durch ihren Treptower Wahlkreis verläuft, keine Autos rollen würden. »Ein Schwimmbecken« könne daraus werden, scherzt sie. Tatsächlich biete der bereits versiegelte Abschnitt aber Potenzial für den Wohnungsneubau, meint sie. »Kein Hinterhof müsste mehr betoniert und kein Acker am Stadtrand mit Wohnungen vollgebaut werden.«

Auch die Berliner SPD lehne den Weiterbau klar ab, sagt Regine Laroche, Direktkandidatin für das Abgeordnetenhaus in Friedrichshain und verweist auf den Parteitagsbeschluss aus dem Sommer. Daraufhin bekam sie dann eine kleine Lehrstunde bei der Veranstaltung am Mittwoch. »Parteitagsbeschlüsse der SPD haben oft nicht so eine hohe Resonanz auf Landesebene«, entgegnet ihr Grünen-Politikerin Kapek. Sie verwies darauf, dass nicht zuletzt die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) sich für den Weiterbau ausgesprochen hatte. »Warum setzen sich Grüne und Linke dann nicht durch, wenn nur die SPD im Senat dagegen ist?«, fragte Laroche. Weil im Senat eben nicht abgestimmt wird, und wenn die Grünen und Linken auf die Barrikaden gingen, die SPD die Koalition beenden würde, erklärte ihr Kapek.

In der Opposition können die SPD-Autofreunde sich der Unterstützung hingegen gewiss sein. Über die FDP braucht man nicht reden und die CDU überrascht selbst den, der glaubt, von keiner Absurdität mehr überrascht werden zu können. Grüne Ausgleichsflächen ringsherum und auf der überdeckelten Autobahn würden Photovoltaikanlagen, paralleler Radweg und natürlich E-Ladesäulen die Betonpiste dann zur »Klimaautobahn« weiterentwickeln. So sieht es der jüngste Parlamentsantrag der CDU-Fraktion vor, den sie am Donnerstag vorgestellt haben.

Um den Weiterbau hingegen zu stoppen, müsste er aus dem Bundesverkehrswegeplan gestrichen werden. Das liegt aber eben nicht in der Verantwortung des Landes. Eine Idee, die zuletzt auch Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) ins Spiel brachte, ist die Veränderung des Berliner Flächennutzungsplans. Für die Flächen, auf denen der Autobahnbau vorgesehen ist, würde dann ein anderer Bedarf des Landes, wie beispielsweise der Wohnungsbau, festgelegt werden. Der Bund müsste das bei seinen Planungen prüfen, könnte sich aber immer noch darüber hinwegsetzen. »Es geht darum, die Autobahn klipp und klar abzulehnen. Es ist bisher noch nicht vorgekommen, dass der Bund so ein Projekt gegen den ausdrücklichen Wunsch des Landes durchzieht«, so Kapek.

Ob das mit Franziska Giffey und Bausenator Andreas Geisel (SPD) gelingt, ist fraglich. »Geisel und Giffey sind der Meinung, mit dem alten Flächennutzungsplan ist alles voll tutti«, sagt Linke-Politikerin Gennburg, die ebenso wie die Fachpolitiker bei den Grünen diesen auch gern überarbeitet sehen würde, um die Neuversiegelung am Stadtrand einzudämmen.

Auch Umweltschützer richten sich mit einem gleichen Argument gegen Zersiedelung sowie den Bau der Autobahn: Man könne angesichts des Klimawandels nicht mehr weitermachen wie eh und je. Beides lässt sich zwar nur schwerlich vergleichen. Doch egal ob Wohnungs- oder Straßenbau: Beton zu vergießen, hat sich zuletzt extrem verteuert. Und während aber für neuen Wohnraum der Bedarf gegeben ist, besteht beim Autobahnbau für manche die Hoffnung, dass, wenn er schon nicht am politischen Widerstand, dann zumindest an der vorgeschriebenen Wirtschaftlichkeitsuntersuchung scheitert. »Es dürfte schwer fallen, in diesem Fall einen derart hohen Nutzen nachzuweisen, dass er die exorbitanten Kosten überwiegt«, sagt Tilmann Heuser vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND).

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal