Generalisten unterschätzt

Ulrike Henning über Reformunwilligkeit beim Medizinstudium

Deutschland hat durchaus nicht zu wenig Ärzte, aber eine extreme Fehlverteilung. Es gibt zu wenige Generalisten, also Hausärzte. Zudem fehlen Psychiater, Neurologen, Augenärzte. Aber auch regional stimmt einiges nicht: die meisten Ärzte sind dort, wo sie am wenigsten gebraucht werden, in Innenstädten. Deutschland hat zum Beispiel auch mehr Ärzte als Dänemark, aber dort arbeiten deutlich mehr Mediziner am Bett, in den Krankenhäusern, wenn es denn zu einer Einweisung kommt. Experten nennen 2600 Eingriffe, die man ambulant machen könnte – in Deutschland finden sie stationär statt.

Trotz aller aus dem Beruf ausscheidenden Mediziner: Jedes Jahr kommen netto (!) mindestens 6000 hinzu. Jährlich beginnen 12 000 Menschen ein Studium der Humanmedizin an einer staatlich anerkannten medizinischen Fakultät. Aus Sicht der Fakultäten hilft es nicht weiter, noch mehr Studienplätze einzurichten. Jedoch muss die Ausbildung modernisiert werden. Genau das wird schon seit Jahren verschoben. Bereits 2017 wurde der Masterplan Medizinstudium 2020 vorgestellt. Bislang ist nichts passiert, weil sich Gesundheits- und Kultusminister der Länder ergebnislos darum stritten, wer die Reform finanzieren soll. Und sie werden sich weiter streiten: Am Freitag haben die Ministerpräsidenten der Länder das Thema an die Ressorts zurücküberwiesen. Die Reform soll unter anderem die allgemeinmedizinische Ausbildung stärken und in diesem Fach mehr Abschlüsse erreichen.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Krankenhausreform diejenige des Medizinstudiums überholt. Das wird den Patienten unter dem Strich auch nichts nutzen: Sie könnten dann vielleicht (wir reden über spätere Generationen) effizienter im Krankenhaus behandelt werden. Mit einer guten Hausarztbetreuung wären sie aber möglicherweise nie so krank geworden, dass sie überhaupt in eine Klinik müssen.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal