Systemkonforme Wahlrechtsreform

Jana Frielinghaus über die Wahlrechtsreform der Ampel

Man reibt sich schon die Augen angesichts der Geschwindigkeit, mit der die Ampel-Koalition eine so weitreichende Reform wie die des Bundeswahlgesetzes durchs Parlament gepeitscht und nun mit nicht viel mehr als der einfachen Mehrheit aller Abgeordneten beschlossen hat. Doch bei allem Verständnis für die Empörung der Linken: Die Gesetzesänderung ist mitnichten der »größte Anschlag auf die Demokratie seit Jahrzehnten«, wie es ihr Parlamentsgeschäftsführer Jan Korte in einer Wutrede ausdrückte.

Ja: Die Streichung der Grundmandatsklausel – die Regelung sollte kleine Parteien stützen, sofern sie mindestens drei Direktmandate gewinnen – trägt zur Stärkung der rechtsradikalen AfD insbesondere in Ostdeutschland bei und schwächt die Repräsentanz fortschrittlicher Kräfte gravierend. Für ein demokratisch stärker legitimiertes Parlament wäre eine Senkung der Sperrklausel auf unter fünf Prozent wohl sinnvoller. Formal dürfte an der Ampel-Reform in jedem Fall weniger zu beanstanden sein, als Linkspartei wie Union hoffen.

Was »der« Demokratie zuvörderst schadet, ist, dass in ihr wenige von Anlegerfonds beherrschte Konzerne sehr direkt ihre Interessen durchsetzen können. Dass große Steuerbetrüger unzureichend verfolgt und Staatsdiener für Straftaten fast nie belangt werden. Dass Arme nicht wählen gehen, weil sie sicher sind, keine der zur Wahl stehenden Parteien werde für sie kämpfen. Und dass zwölf Millionen lange hier lebende Menschen ohne deutschen Pass gar nicht wählen dürfen. Deshalb ist es traurig, dass Die Linke ihren Antrag zum Ausländerwahlrecht aus Protest zurückgezogen hat, statt die Diskriminierung eines so großen Teils der Bevölkerung im Plenum zu diskutieren. Fast noch trauriger ist, dass die Sozialisten erst angesichts des drohenden Verlusts der eigenen parlamentarischen Ressourcen richtig angriffslustig werden.

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