Von der Schwammstadt Eberswalde zum »Leuchtturm Louise«

Wie sich Städte und Kommunen in Brandenburg an die Folgen der Klimakrise anpassen

  • Louisa Theresa Braun
  • Lesedauer: 5 Min.

In den kommenden Wochen will das Land Brandenburg eine Klimaanpassungsstrategie beschließen. Das ist auch wirtschaftlich dringend notwendig: In Deutschland sind allein von 2018 bis 2021 Schäden in Höhe von 80 Milliarden Euro durch Klimafolgen wie Dürren und Flutkatastrophen entstanden. Das ergab eine Studie im Auftrag der Bundesministerien für Umwelt und Naturschutz sowie Wirtschaft und Klimaschutz. Demnach könnten bis ins Jahr 2050 Kosten in Höhe von bis zu 900 Milliarden Euro entstehen – je nachdem, wie viel jetzt schon in Klimaschutz und Klimaanpassung investiert wird.

Beides muss Hand in Hand miteinander gehen. »Ohne Klimaschutz schaffen wir es nicht, uns ausreichend anzupassen«, erklärt Ariane Walz, die in Brandenburgs Umweltministerium für Klimaanpassung zuständig ist. Wie entsprechende Maßnahmen in Städten und Kommunen umgesetzt werden können, darum ging es in der Online-Veranstaltung zum Thema Klimafolgenanpassung in der vergangenen Woche, organisiert vom Klimabündnis Stadtentwicklung Brandenburg, das 2022 vom Infrastrukturministerium und von Wohnungsbauunternehmen gegründet wurde.

Ziele im Bereich der Stadtentwicklung stellte Stefan Krappweis vom Infrastrukturministerium vor. Zunächst müsse der Flächenverbrauch in den Städten zugunsten von Freiräumen und Hochwasserschutz auf maximal 30 Hektar Neuinanspruchnahme pro Tag reduziert werden. Aktuell liege er bei 55 Hektar. Außerdem müsse »die klimaangepasste Stadt der Zukunft weißer, grüner und blauer sein«, so Krappweis. »Weiß« meint hellere Bodenbeläge und Häuserfassaden, die sich nicht so sehr aufheizen; »grün« bezieht sich auf die Vegetation und »blau« auf das Wasser, das dem Schwammstadtprinzip gemäß in den Städten gehalten werden soll.

Mehr Wasser muss versickern

Wie kann das in Kommunen konkret funktionieren? Zum Beispiel durch entsprechende Flächennutzungs- oder Bebauungspläne, in denen Versickerungsflächen berücksichtigt werden, erläutert Eleonore Witschaß vom Zentrum Klimaanpassung. Kurzfristig und ohne viel Aufwand könnten Sensibilisierungsaktionen für Bürger*innen umgesetzt werden, wie zum Beispiel »Gieß den Kiez« in Berlin. Langfristig brauche jede Stadt neben Grün und Wasser aber auch Hitzeaktionspläne und Warnsysteme gegen Hochwasser.

In die Praxis umgesetzt werden Klimaanpassungsstrategien unter anderem bereits im Brandenburgischen Viertel in Eberswalde, nördlich von Berlin. »Eberswalde ist eine grüne Stadt, aber das Brandenburgische Viertel ist sehr stark bebaut und versiegelt«, erklärt Silke Leuschner vom Eberswalder Stadtentwicklungsamt. Es bestehe überwiegend aus sechsgeschossigen DDR-Plattenbauten. Die Entwässerung sämtlicher Gebäude und Straßen verlief bislang über ein einziges Regenrückhaltebecken am Drehnitzfließ, das durch zunehmende Starkregenereignisse immer häufiger an Grenzen stößt.

Nun wird das Viertel zur Schwammstadt durch Flächenentsiegelung, drei neue zentrale sowie diverse dezentrale Versickerungsmöglichkeiten, die das Drehnitzfließ entlasten, mehr Grünflächen und Wasserspielplätze. Es seien Stellplätze zurückgebaut oder Hochborde an Straßenrändern vertieft worden, sodass dort Wasser versickern könne, berichtet Leuschner. Der neue Spreewaldpark trage zu höherer Aufenthaltsqualität bei und senke das Risiko für vulnerable Gruppen an Hitzetagen. Insgesamt hat der Umbau 2,2 Millionen Euro gekostet und wurde zu zwei Dritteln von der Städtebauförderung finanziert.

Schwieriger ist die Klimafolgenanpassung für Kleinstädte abseits der Metropolen. »Ihnen fehlen oft die Verwaltungskapazitäten und die wissenschaftliche Begleitung«, sagt Carolin Herdtle. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Freien Universität Berlin und hat sich im Rahmen des Projekts »Going Vis« mit den besonderen Bedingungen und Potenzialen von Kleinstädten für eine resiliente Stadtentwicklung beschäftigt. Zu den Potenzialen gehöre, dass sozialer Zusammenhalt und Engagement sowie die Identifikation mit der Stadt in kleinen Orten oft stärker ausgeprägt seien.

Bürger*innen gestalten gemeinsam

Eine Schlüsselstrategie sei daher Partizipation, wie Herdtles Kollegin Nicole Mitchell weiter erläutert. Ein Beispiel, das im Rahmen des Projekts umgesetzt wurde, befindet sich in Boizenburg/Elbe in Mecklenburg-Vorpommern: Auf einer Online-Landkarte konnten Bürger*innen ihre Lieblingsplätze eintragen und sie mit Wünschen und Ideen versehen; dazu gab es Themenspaziergänge. Daraus wurde »eine Datenbank für lokales Klimawissen und ein Ausgangspunkt für Mitmachaktionen«, erzählt Mitchell. Unter anderem begrünten Schüler*innen eine Bushaltestelle.

Ein anderes Beispiel ist das Netzwerk »Leuchtturm Louise« in der Elbe-Elster-Region im Süden Brandenburgs. Hier trieben Bürger*innen gemeinsam die Renaturierung der Elster voran, die regelmäßig austrocknet. »Die Projekte waren erfolgreich, weil sie als zu gestaltender Prozess verstanden wurden«, betont Mitchell. Wichtig sei, lokale Themen aufzugreifen, Bürger*innen nach ihren Interessen zu fragen und an der Umsetzung zu beteiligen. Das stärke sowohl das Bewusstsein für die Alltagsrelevanz der Klimakrise als auch den sozialen Zusammenhalt. Nötig sei aber auch ein »Neudenken in der Verwaltung als ermöglichende Verwaltung«, so Mitchells Fazit.

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