Präsident Díaz-Canel bleibt auf Kuba gefordert

Kubas Präsident geht mit alten Herausforderungen in seine zweite Amtszeit

  • Andreas Knobloch, Havanna
  • Lesedauer: 4 Min.

Überraschungen waren nicht zu erwarten – und es gab sie auch (fast) nicht an diesem historischen Tag. Am Mittwoch, dem 62. Jahrestag des Sieges gegen die Schweinebucht-Invasion, hat Kubas Parlament zum Auftakt der neuen Legislaturperiode einen neuen Staatsrat gewählt und dem Staatspräsidenten Miguel Díaz-Canel und dessen Vize Salvador Valdés jeweils das Vertrauen für eine zweite Amtszeit von fünf Jahren geschenkt. Díaz-Canel erhielt 459 der 462 abgegebenen Stimmen, Valdés 439. Ministerpräsident Manuel Marrero wurde ebenso im Amt bestätigt wie Parlamentspräsident Esteban Lazo.

Eine kleine Überraschung gab es dann aber doch. Neuer Außenhandelsminister wird Ricardo Cabrisas. Er löst Rodrigo Malmierca ab, der das Amt 15 Jahre innehatte. Der 86-jährige Cabrisas ist der Chefunterhändler für Kubas Auslandsschulden – und weiterhin einer der stellvertretenden Ministerpräsidenten. Wirtschaftsminister bleibt Alejandro Gil. Insgesamt viel Kontinuität also.

»Wir müssen uns auf die Nahrungsmittelproduktion, die Effizienz der Investitionsprozesse, die Entwicklung des sozialistischen Staatsunternehmens, die Komplementarität der verschiedenen Wirtschaftsakteure und die Bekämpfung der Inflation konzentrieren«, umriss Díaz-Canel nach seiner Wahl die Prioritäten seiner Regierung.

Erste Amtszeit von Hindernissen geprägt

Díaz-Canels erste Amtszeit war geprägt von zahlreichen Hindernissen: der Präsidentschaft Donald Trumps in den USA und der Verschärfung der US-Sanktionen inklusive der Wiederaufnahme Kubas auf die US-Terrorliste, der Corona-Pandamie und dem Einbruch des Tourismus und damit wichtiger Deviseneinnahmen. Die missglückte Währungsneuordnung mit Abschaffung des CUC zu Jahresbeginn 2021, inmitten der Pandemie, hat die Inflation angeheizt und die Dollarisierung des Landes beschleunigt. All diese Faktoren stürzten das Land in eine schwere Wirtschafts- und Versorgungskrise. Die weitverbreitete Unzufriedenheit entlud sich im Sommer 2021 in nie dagewesenen landesweiten Protesten, gefolgt von der größten Ausreisewelle in der jüngeren Geschichte der Insel.

Gleichzeitig hat Präsident Díaz-Canel in seiner ersten Amtszeit die Wirtschaftsreformen weiter vorangetrieben. Erstmals können Kubaner*innen kleine und mittlere Unternehmen mit bis zu 100 Angestellten gründen, der Groß- und Einzelhandel wurde für ausländische Investitionen geöffnet, das in einem landesweiten Referendum angenommene Familiengesetz gilt als eines der fortschrittlichsten weltweit.

Die schwere Versorgungskrise aber hat die Regierung bislang nicht in den Griff bekommen. Nach monatelangen Stromausfällen aufgrund des katastrophalen Zustands zahlreicher Kraftwerke lähmt seit zwei Wochen eine neue Krise bei der Treibstoffversorgung den öffentlichen und privaten Verkehr auf der Insel und führt zu kilometerlangen Warteschlangen an den Tankstellen. Auto- und Taxifahrer schlafen zum Teil in ihren Fahrzeugen, während sie auf einen Tankwagen warten, von dem niemand weiß, ob und wann er eintreffen wird.

Kuba nähert sich wieder Russland an

In ihrer zweiten Amtszeit sieht sich Kubas Regierung nicht nur einer andauernden Wirtschaftskrise gegenüber, sondern auch einer komplexeren, weil stärker polarisierten geopolitischen Landschaft. Zwar hat Washington zu Jahresbeginn mit seinem Parole-Programm die Migration in geordnetere Bahnen gelenkt und erlaubt monatlich 30 000 Migrant*innen aus Kuba, Venezuela, Haiti und Nicaragua die reguläre Einreise in die USA. Auch hat die Visaabteilung der US-Botschaft in Havanna ihre Arbeit wieder aufgenommen, nachdem sie jahrelang geschlossen war. Zugleich aber erklärte US-Außenminister Antony Blinken Ende März, seine Regierung habe nicht vor, Kuba von der Liste der Länder zu streichen, die den »Terrorismus sponsern«. Díaz-Canel wiederum warf Washington vor, Kuba destabilisieren und die kubanische Revolution zerstören zu wollen.

Als Resultat des weiterhin angespannten Verhältnisses zu den USA und vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges und einer neuen Blockbildung in der Welt hat sich Kuba zuletzt wieder stärker Russland angenähert. Ende 2022 war Díaz-Canel in Moskau mit Wladimir Putin zusammengekommen. Vor wenigen Wochen empfing er in Havanna erst den Sekretär des russischen Sicherheitsrates, Nikolaj Patruschew, und drei Tage später den Vorstandsvorsitzenden des russischen Ölkonzerns Rosneft und Putin-Vertrauten, Igor Setschin. Mitte März wurde das russische Zahlungssystem Mir an den Geldautomaten der kubanischen Hauptstadt eingeführt. Auch beraten russische Wirtschaftswissenschaftler Kuba bei der Implementierung von Marktreformen. Und am Mittwoch und Donnerstag besuchte der russische Außenminister Sergej Lawrow die Insel. Die Herausforderungen für den neuen, alten kubanischen Präsidenten sind zahlreich.

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