Wohnungsmarkt: Immobilienpreise sinken, Mieten steigen

Ein paradoxer Wohnungsmarkt macht vor allem der ärmeren Bevölkerung das Leben schwer

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Signale, die der Wohnungsmarkt sendet, sind widersprüchlich. So haben die Immobilienpreise im vierten Quartal 2022 gegenüber dem dritten um 2,0 Prozent nachgegeben. Das zeigen Daten des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (VDP). Es war bereits der zweite Rückgang der Preise für den Kauf von Immobilien in Folge. Und für die Zukunft hält die Ratingagentur Fitch weiter deutlich fallende Immobilienpreise für möglich.

Aber selbst solche Preise nützen Mietern nichts. In Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Düsseldorf, Leipzig und Stuttgart sind im zweiten Halbjahr die Angebotsmieten im Schnitt um 6,3 Prozent gestiegen. Auch in mittelgroßen Städten und Landkreisen wuchern die Mieten. Das zeigt eine Studie des Immobilienspezialisten Jones Lang LaSalle (JLL). Die Studie deckt sich mit Analysen weiterer Institute.

Nun schlagen sich zeitweise sinkende Preise für Immobilien nicht zwingend in sinkenden Mieten nieder. Ohnehin steigen die (Warm-)Mieten seit Jahrzehnten. Dafür sind gestiegene Kosten wie auch eine gestiegene Nachfrage verantwortlich. Millionen Zinshäuser wurden in der Vergangenheit kostspielig saniert, Kohleöfen durch Zentralheizungen ersetzt, das Klo im Hausflur durch ein Bad in der Wohnung. In der Folge erhöhten Vermieter die Mieten. Später verpflichtete die Politik Vermieter, Wasserzähler und Feuermelder installieren zu lassen. Nebenkosten für Müllabfuhr, Hausmeisterdienste und Gartenpflege folgten der allgemeinen Preisentwicklung nach oben.

Hinzu kommt: Wohnungen wurden auch weiträumiger. Die durchschnittliche Wohnfläche je Person beträgt heute laut Statistischem Bundesamt 55,5 Quadratmeter. Die Mieten pushten auch die wachsende Nachfrage. So nahm die Bevölkerungszahl zwischen 2011 und 2021 um rund drei Millionen zu. Zwar wurden auch neue Wohnungen gebaut. Da aber vor allem die Zahl der Singlehaushalte weiter stieg – bundesweit beträgt der Anteil der Einpersonenhaushalte heute 41,8 Prozent –, wuchs der Druck auf dem Wohnungsmarkt weiter.

Dass unterm Strich die Mieten im Vergleich zu den allgemeinen Verbraucherpreisen überproportional zulegen, verdeutlicht ein Blick auf den Anteil der Miete am Einkommen. Die sogenannte Mietbelastungsquote hat sich seit den 1990er Jahren bundesweit in etwa verdoppelt. Heute verschlingt die Kaltmiete 27,8 Prozent des Einkommens in Deutschland.

Doch dies ist eine Durchschnittszahl. Regional, nach Haushaltsgröße und vor allem nach Einkommensklasse variieren die Anteile erheblich. So müssen Einpersonenhaushalte 35,4 Prozent ihres Einkommens aufbringen. Und das nach Einkommen unterste Fünftel aller Mieterhaushalte gab 2021 durchschnittlich 42,6 Prozent seines verfügbaren Einkommens für die reinen Wohnkosten aus.

Unterdessen geht es nicht allein um Quantität, sondern auch um Qualität. Seit langem klagen Familien mit mehr als einem Kind, dass es kaum angemessenen Wohnraum in den Metropolen selbst gibt. Wer es sich leisten konnte und wollte, baute im Umland. Was zu den ungelösten Verkehrsproblemen in Städten wie Hamburg oder München beiträgt. Mittlerweile geraten Senioren stärker in den Blick. Bundesweit fehlen einer Studie des Pestel-Instituts aus Hannover zufolge etwa 2,2 Millionen altersgerechte Wohnungen. Nur etwa 600 000 der Seniorenhaushalte haben nach Angaben des Pestel-Studienleiters Matthias Günther überhaupt eine Wohnung, »in der Menschen mit einem Rollator und Rollstuhl klarkommen«.

2023 dürfte sich die Lage weiter zuspitzen. Im vergangenen Jahr hat die Bevölkerungszahl rasch zugelegt. »Dies ist zu einem großen Teil auf die vielen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zurückzuführen, aber auch grundsätzlich ist die internationale Zuwanderung nach den schwächeren Corona-Jahren wieder gestiegen«, sagt JLL-Experte Roman Heidrich. Was die Nachfrage nach Mietwohnungen und damit die Mieten weiter befeuern werde.

Gleichzeitig ist der Neubau viel zu schwach, um den Mietwohnungsmarkt zu entlasten. Einen »Aufbruch in der Bau-, Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik« sollte es laut Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP geben. Doch der Aufbruch lässt auf sich warten und vom Ziel der 400 000 neuen Wohnungen pro Jahr ist die Regierung weit entfernt. Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW geht von nur etwa 250 000 Einheiten aus, die im vergangenen Jahr gebaut wurden. Endgültige Daten werden erst im Mai vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht. Im Ergebnis gehen Forscher von aktuell 700 000 fehlenden Wohnungen aus – während gleichzeitig hunderttausende Wohnungen in weniger beliebten Regionen leerstehen.

Entspannung ist nicht in Sicht. Die Zahl der Baugenehmigungen geht seit Mai 2022 jeden Monat zurück. Zum Rückgang der Bauvorhaben dürften weiterhin fehlende Handwerker, hohe Kosten für Baumaterialien, Umweltauflagen und strengere Baustandards sowie die zunehmend schlechteren Finanzierungsbedingungen durch Banken beitragen. Die steigenden Zinsen sind gleichzeitig daran schuld, dass weniger Immobilien gekauft werden und daher die Preise für vorhandene Häuser sinken.

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