Berlin-Mitte: Keine Räumung von Obdachlosen-Camp am Hauptbahnhof

Bezirk dementiert Räumungsgerüchte und stellt Unterbringung für die komplette Gruppe in Aussicht

Auf einer Grünfläche in unmittelbarer Umgebung des Hauptbahnhofs lebt eine Gruppe von Menschen aus Rumänien in Zelten. Dort sollen im Mai Bauarbeiten beginnen und bis dahin würde das gesamte Camp vermutlich vom Bezirk geräumt, hieß es vor Kurzem in einem Bericht der Morgenpost. »Das stimmt nicht«, sagt die Bezirksbürgermeisterin von Mitte Stefanie Remlinger (Grüne) zu »nd«. Stattdessen stehe eine Unterbringung der gesamten Gruppe in Aussicht. Grund dafür ist das Ende der Kältehilfesaison, wodurch Kapazitäten in Unterkünften frei werden, sagt sie. 

Einen genauen Termin für den Umzug kann sie noch nicht nennen. »Wir sind in den letzten Klärungen. Wir sind zuversichtlich, die Menschen in Kürze unterbingen zu können«, so Remlinger. Das Bezirksamt Mitte bemüht sich schon seit langem, eine andere Form der Unterbringung zu ermöglichen. »In den letzten Jahren ist eine Verständigung und eine Versorgung der Gruppe gescheitert«, sagt sie. So zum Beispiel ein Versuch der Stadtmission, die Gruppe in einer ihrer Unterkünfte unterzubringen. Dort habe es nur Räume gegeben, in denen die Personen getrennt nach Geschlechtern wohnen konnten. Für die Gruppe am Hauptbahnhof funktioniere eine solche Unterbringung aber nicht: »Die Menschen hatten große Angst, dass die Familien getrennt werden«, sagt die Bezirksbürgermeisterin.

Remlinger erklärt, dass sie eine andere Unterbringung als in dem Camp am Hauptbahnhof für unumgänglich hält – vor allem, weil dort auch Kinder wohnen. »Kinder müssen angemessen untergebracht werden, das geht nicht in Zelten. Das ist auch wichtig für ihre Zukunft«, sagt sie. Nachdem sie inzwischen das gesamte Bezirksamt involviert habe, stehe nun eine Lösung kurz bevor. »Wir haben uns gedacht, dass nach Ende der Kältehilfesaison Unterkünfte frei werden. Nun haben wir wahrscheinlich eine gefunden«, sagt sie. Bis die Verträge in trockenen Tüchern sind, möchte sie allerdings keine näheren Angaben machen. 

Die rumänische Gruppe sei durchaus bereit, das Angebot anzunehmen. »Wegen der sprachlichen Hürden ist die Kommunikation nicht leicht«, so Remlinger. Sozialarbeiter*innen, die die Sprache der Bewohner*innen des Camps sprechen und die Gruppe schon länger kennen, würden aber kontinuierlich Vertrauen aufbauen. Laut Remlinger ist die in Aussicht stehende Unterkunft mit der Gruppe besprochen worden und auf Zustimmung gestoßen. »Natürlich können sich die Menschen die Unterkunft vorher anschauen. Und dann kann Schritt für Schritt der Umzug organisiert werden«, sagt die Bezirksbürgermeisterin. 

Dass schon im Mai Bauarbeiten auf der Fläche, auf der die Rumän*innen aktuell leben, geplant seien, hat die Bezirksverwaltung derweil selbst überrascht, sagt Remlinger. Es handelt sich um ein Projekt der landeseigenen Grün Berlin, welches die städtischen Grünflächen verwaltet. Auf einer Fläche von 4,1 Hektar soll der Döberitzer Grünzug als »Ausgleichs- und Ersatzmaßnahme zur Kompensation der durch den Bau der Bundesstraße B 96 verursachten Eingriffe in den Naturhaushalt« entstehen, so ist es der Webseite von Grün Berlin zu entnehmen. Dort ist weiterhin der geplante Baubeginn auf Winter 2022/23 datiert, die Fertigstellung auf 2024.

Was laut Bezirksbürgermeisterin Remlinger feststeht: Das Camp auf der Grünfläche wird nicht aufgrund von anstehenden Baumaßnahmen geräumt. Weder plane der Bezirk eine solche Räumung noch Grün Berlin – das könne das Unternehmen auch gar nicht. »Wenn der Umzug in die Unterkunft länger dauert, dann muss der Baubeginn eben noch warten«, sagt sie.

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