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Garnisonkirche: Turmbau zu Potsdam

Die Potsdamer Garnisonkirche will »Versöhnung leben«. Dafür ist sie das denkbar schlechteste Symbol

  • Karsten Krampitz
  • Lesedauer: 3 Min.

Für Nichtchristen ist diese Religion nur schwer zu verstehen: Der Gottessohn leidet freiwillig am Kreuz, weil er die Menschen wieder mit Gott versöhnen will: »Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun«. Der Wille zur Versöhnung ist, wenn man so will, die Geschäftsgrundlage christlichen Glaubens. Die hat daher auch ihre Funktion für den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche. »Geschichte erinnern, Verantwortung lernen, Versöhnung leben«, heißt es von Seiten der verantwortlichen Stiftung – so ziemlich das Gegenteil von dem, wofür jenes Gotteshaus einmal stand.

In dieser sakralen, von alliierten Bombern im April 1945 zerstörten Ruhmeshalle des deutschen Militarismus, wo Ehrentafeln die Namen gefallener Offiziere und Soldaten trugen, waren die Standarten besiegter Armeen ausgestellt. Ein marmorner Gruft-Bau im Kirchenschiff beherbergte die Särge Friedrichs des Großen und seines Vaters. Was der Zweite Weltkrieg vom Haus übrig ließ, wurde 1968 vom DDR-Staat gesprengt, die noch existierende Zivilgemeinde wurde großzügig entschädigt. Und noch 1990 lehnte der Gemeinderat den Wiederaufbau der Garnisonkirche ab.

In dieser besagten Kirche predigte der Pfarrer schonmal der Truppe: »Nicht Friede darf werden auf Erden, bis das heilige Evangelium der Glaube aller Völker ist. Ihr seid die Pioniere des gekreuzigten Heilands!« Das war im Juli 1900, bevor deutsche Soldaten nach China aufbrachen, zur Niederschlagung des sogenannten Boxeraufstands: »Seid männlich und stark, wenn es hinein geht in die Schlacht. Seid männlich und stark, wenn die Kugeln um euch sausen«. Am »Tag von Potsdam«, dem 21. März 1933, hielten die Nazis hier ihre Siegesfeier ab – mit dem Segen der evangelischen Kirche. Es war die einzige Kirche, in der Adolf Hitler eine Rede gehalten hatte.

Warum nun ausgerechnet ihre Wiedererrichtung ein Werk der Versöhnung sein soll – die Antwort darauf blieben Altbischof Huber und die anderen Befürworter bislang schuldig. Verschwendung trifft schon eher den Charakter, bei fast 25 Millionen Euro Förderung aus Bundesmitteln. Seit Oktober 2017 wird gebaut, und das nur am Turm, mit seinen 88 Meter Höhe. Vom geplanten Kirchenschiff hat sich die Stiftung schon vor Jahren verabschiedet. Und wann beginnt nun endlich die große Vergebung?

Hajo Funke von der Freien Universität Berlin sieht in dem Ganzen eine Anmaßung, eine, wie Adorno sagen würde, »erpresste Versöhnung«. Akteure aus der Tätergesellschaft definieren, was Versöhnung heißt und wer sich mit wem versöhnen möge. Der Politikprofessor dazu: »Es ist aber das Recht der Opfer zu entscheiden, ob sie sich versöhnen lassen wollen.« Zu leicht bestehe die Gefahr, dass es um eine Versöhnung mit sich selbst geht. Gerade wenn man sieht, von wem die Initiative ursprünglich ausgegangen ist, nämlich von einem rechtsradikalen ehemaligen Bundeswehroffizier. Hajo Funke findet deutliche Worte: »Ohne Schuldeingeständnis und ohne Verantwortungsübernahme für das, was sich mit der Garnisonkirche an Nationalismus und Verbrechen verbindet, ist eine Aussöhnung unmöglich.«

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