Stiko empfiehlt: Corona-Impfung als Eine unter vielen

Stiko sorgt für Klarheit beim Boostern und der neuen Corona-Normalität

Während der Coronakrise war die Ständige Impfkommission (Stiko) ständig gefragt. Immer neue Impfstoffe kamen auf den Markt, auch solche für Kinder und Kleinkinder, die Frage des Boosterns wurde akut, und vor allem kamen immer neue wissenschaftliche Erkenntnisse rund um das Virus und die Wirkung der Vakzine hinzu. Insgesamt 25 mal aktualisierte das 17 Experten zählende Gremium, das beim Robert-Koch-Institut angesiedelt ist und alle Fragen zu Schutzimpfungen fachlich zu klären hat, seine Covid-19-Impfempfehlung. Doch damit soll nun Schluss sein: »Alle Aktualisierungen werden nun abgelöst durch eine Standardempfehlung«, sagt Martin Terhardt, Berliner Kinderarzt und Stiko-Mitglied. Diese wurde am Dienstag vorgestellt und geht in ein etwa zweiwöchiges Stellungnahmeverfahren, bei dem in der Regel nur kleinere Änderungen vorgenommen werden.

Im Einzelnen schlägt die Stiko jetzt vor, dass Menschen zwischen 18 und 59 Jahren ohne bestimmte Grunderkrankungen eine »Basisimmunität« erreichen, die aus zwei Impfungen und einem weiteren Antigenkontakt (Impfung oder Infektion) im Abstand von mindestens drei Monaten besteht. Gesunden Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren wird »aufgrund der Seltenheit schwerer Verläufe« keine Covid-19-Impfung mehr empfohlen. Über 60-Jährige, Personen ab sechs Monaten mit »relevanten« Grunderkrankungen, Bewohner von Pflegeeinrichtungen sowie medizinisches und pflegerisches Personal sollten sich hingegen weiteren Auffrischimpfungen mit varianten-angepassten Impfstoffen nach mindestens zwölf Monaten unterziehen. Ein Sonderfall sind Immunsupprimierte, für die in Absprache mit dem Arzt individuelle Wege gesucht werden müssen.

Die Empfehlung war mit Spannung erwartet worden. Viele impfwillige Bürger fragen sich seit Monaten, ob und wann sie sich erneut boostern lassen sollen, oder haben dies schon mehrfach getan. Auch einzelne Wissenschaftler fordern seit Langem von der Stiko einen Neuaufschlag. Das freilich ist gar nicht so einfach: Der Immunstatus in der Bevölkerung ist sehr heterogen. Er unterscheidet sich deutlich nach der Anzahl von Impfungen und der von Infektionen, auch die Reihenfolge davon ist wichtig. Zudem kommen noch immer neue Studien hinzu, die Teilaspekte etwa zur Wirkung von Vakzinen untersuchen.

Klar ist hingegen, dass durch die Dominanz der Omikron-Varianten der Erreger zwar noch sehr infektiös ist, es aber kaum noch zu schweren Verläufen kommt, wie der Erlanger Mikrobiologe Peter Bogdan erläutert. »Wir können nun neu bewerten und Empfehlungen abgeben, die nicht nur für einige Wochen gelten«, so das Stiko-Mitglied. Künftig gebe es nur noch eine jährliche Empfehlung, und die Covid-Impfung werde »in den normalen Impfkanon integriert«. Sie soll schon Teil des allgemeinen Impfkalenders für 2023 werden, in dem sich Empfehlungen für Impfungen gegen 15 weitere Erkrankungen von Rotaviren über Tetanus bis hin zur Influenza finden.

Carsten Watzl, Chef der Deutschen Gesellschaft für Immunologie und kein Stiko-Mitglied, begrüßt die neuen Empfehlungen. Sie seien »gut zum jetzigen Zeitpunkt und übersichtlich«, was insbesondere den Ärzten helfe. Der einjährige Abstand von Boosterungen bei Risikogruppen sei nicht zu lang, da es hierbei ja gelte, langlebige Gedächtniszellen aufzufrischen. Bogdan weist dabei darauf hin, dass der Abstand später auch mehrere Jahre betragen könne, falls neuere Erkenntnisse dies nahelegten. »Sars-CoV-2 ist kein neues Influenza-Virus«, letzteres sei erheblich variabler. Mit Blick auf die gesunden unter 18-Jährigen betont Immunologe Watzl, es gebe in der Empfehlung keine Aussage, dass man nicht impfen soll. Dies werden wohl Eltern entscheiden müssen. Die Empfehlung könnte aber, so die Experten, zur Folge haben, dass die Impfungen nicht mehr von der Krankenkasse bezahlt werden. Darüber muss der gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten und Kassen entscheiden.

Die neue Impfempfehlung der Stiko ist ein weiterer großer Schritt Richtung Normalität und gleichzeitig eine Anpassung an die neuen Realitäten beim Infektionsgeschehen, den weiterhin suboptimalen Covid-Impfstoffen und der deutlich verbesserten Immunitätslage. »Wir müssen uns lösen von der Idee, dass wir mit den Impfungen quasi harmlose Atemwegserkrankungen verhindern können«, erläutert Mikrobiologe Bogdan. Allerdings gebe es weiterhin Menschen, die an Covid-19 schwer erkranken und auch daran sterben. Daher appelliere er weiterhin an jeden, der noch immunologisch naiv ist, »sich dringend impfen zu lassen«.

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