Schwarz-Rot in Berlin: Giffeys Grinsen

Leo Fischer über den Amtsantritt des schwarz-roten Senats in der Hauptstadt

Laut Machiavelli besteht Politik ja darin, Pläne in Plänen zu verstecken. So lassen sich symbolische Niederlagen rechtfertigen, wenn das größere Ziel des langfristigen Machterhalts gewahrt bleibt. Allzu oft bleibt es aber bei der bloßen Suggestion von Cleverness und Raffiniertheit – höhere Ziele werden behauptet, wo gar keine sind. So hat sich jetzt eine Mehrheit der Berliner SPD vormachen lassen, dass das Gespann Wegner/Giffey durch irgendeine wundersame Dialektik die Partei voranbringen werde. Dabei hat sie sich selbst überlistet, denn das Gegenteil ist der Fall.

Dank der neuen Berliner Koalition ist die Bundesregierung in jeder Kleinigkeit auf die Gnade der Länder angewiesen; man hat der CDU einen Blankoscheck gegeben. Das Amt der Regierenden Bürgermeisterin wurde ohne Not aufgegeben – für einen Wegner, der überrascht gewesen sein dürfte, wie widerstandslos ihm die Sozis das Amt in den Schoß legten. Und die AfD wurde gleich doppelt aufgewertet: nicht nur als vermeintliche Mehrheitsbeschafferin für den Senat, von deren Leihstimmen die Koalition auch künftig immer wieder abhängen könnte. Inhaltlich passt zwischen Hauptstadt-CDU und AfD oft kaum ein Blatt; wie glaubwürdig Initiativen gegen Rassismus bei einem Bürgermeister Wegner sind, der sich bei Gewaltdelikten die Vornamen der Beschuldigten geben lässt, ist nicht abzusehen.

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Leo Fischer ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chef des Satiremagazins »Titanic«. In seiner Kolumne »Die Stimme der Vernunft« unterbreitet er der aufgeregten Öffentlichkeit nützliche Vorschläge und entsorgt den liegengelassenen Politikmüll. Alle Texte auf dasnd.de/vernunft.

Wegner vertritt die Welt der Berliner Randzone, wo sich zwischen Dahlemer Villa und Schrebergarten Fuchs und Hase wilde Räuberpistolen über die Innenstadt erzählen. Wo das Ressentiment gepflegt wird wie das alte Porzellan. Dass die CDU in einer Stadt, die von ihr im Berliner Bankenskandal auf Jahrzehnte hinaus ruiniert wurde, jemals wieder etwas zu sagen haben könnte, damit hat sie wahrscheinlich selbst nicht gerechnet. Die Sozialdemokratie macht’s möglich.

Die Einzige, die wirklich Grund zur Freude hat, ist Franziska Giffey. Sie kann sich mit Leidenschaft für die Bau- und Immobilienbranche ins Zeug legen, für deren Interessen sie schon einen Volksentscheid ignorierte. In zehn Jahren sitzt sie im Vorstand von Beratungsfirmen, die für den Umbau Berlins in ein zweites London werben, und eröffnet Gated Communities mit Champagnertaufen. Man wird sich noch die Augen reiben, welchen vermeintlichen sozialdemokratischen Minimalkonsens Giffey hinter sich lassen wird, die weder demokratische Willensbildung noch akademische Redlichkeit respektiert.

Es ist die Magie der Suggestion, die sie sich von Olaf Scholz abgeschaut hat: Man grinst überlegen und gibt Orakelsprüche ab, die einen höheren Plan vermuten lassen sollen. Man suggeriert Cleverness, gibt sich selbst Kredite auf künftige Erfolge, die man dann immer wieder stunden lässt. Wer Zweifel hat, hat den Großen Plan noch nicht durchschaut oder ist ein Defätist; wer sich fragt, was neben den Karrieren Einzelner für die Partei abfällt, ist eh nicht mehr in der SPD, sondern hat schon vor Jahren zur Linkspartei rübergemacht. Allein die Mitgliederbefragung war im Grunde eine einzige Respektlosigkeit: Während der Landesverband zähnefletschend für die GroKo trommelte, wurde den Unterverbänden verboten, eine Empfehlung abzugeben: gelenkte Demokratie in Reinkultur.

Überall sucht man ja nach neuen Energiequellen. Das grenzenlose Vertrauen, das die SPD-Basis noch den offenkundigsten Opportunist*innen entgegenbringt, dürfte eine ebenso unerschöpfliche wie nachwachsende Energiequelle sein.

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