Es braucht nicht nur am 1. Mai aktive Gewerkschaften

Die Gewerkschaften müssen sich daran messen lassen, wie viel sie für die Beschäftigten herausholen

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 2 Min.

Am 1. Mai geben sich die Gewerkschaften gerne kämpferisch. Schließlich ist es ihr Tag. So erklärte die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi, dass man nur mit starken Gewerkschaften und Tarifverträgen der Profitgier etwas entgegensetzen könne. Prinzipiell hat sie damit recht. Die Frage ist aber, ob die Gewerkschaften ihrem Auftrag gerecht werden.

Gerade auch in Zeiten hoher Inflation braucht es starke Gewerkschaften, um die Interessen der Beschäftigten zu vertreten. So ist es kein Wunder, dass wieder mehr gestreikt wird. Denn die Menschen brauchen deutlich mehr Geld in der Tasche, und das geben ihnen die Chefs nicht freiwillig. Doch letztlich geht es nicht darum, wie viele Menschen die Gewerkschaften auf die Straße bekommen, sondern wie viel sie für die Menschen bei Tarifverhandlungen herausschlagen können. Dabei ist nicht allein entscheidend, ob ein Inflationsausgleich oder gar Reallohnsteigerungen erreicht werden, sondern ob die Menschen mit Gewerkschaften höhere Gehaltssteigerungen durchsetzen können als ohne diese. Den Funktionären müsste deshalb Sorgen machen, dass der sogenannte Lohndrift schon seit Jahren positiv ist, also dass die Effektivlöhne stärker steigen als die Tariflöhne.

Sicherlich muss auch die Politik liefern – etwa mit gesetzlichen Vorgaben zur Stärkung der Tarifbindung. Doch letztlich liegt es an den Gewerkschaften selbst, ob sie ihrem Auftrag gerecht werden. Letztlich hat ausgerechnet DGB-Chefin Fahimi ihnen einen Bärendienst erwiesen, indem sie im Rahmen der Konzertierten Aktion von Kanzler Scholz mit den Arbeitgebern die Inflationsausgleichszahlungen mitträgt, die nun gegen hohe dauerhafte Lohnforderungen ins Spiel gebracht werden. Es braucht also nicht nur am1. Mai aktive, kämpferische Gewerkschaften.

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