Klimaschutz soll ins Bergrecht

Brandenburgs Grüne machen Vorschläge für ein modernes Bundesberggesetz

Dass Siedlungen für den Braunkohletagebau oder die Förderung anderer Bodenschätze abgebaggert werden dürfen, sei 1937 in der Zeit der Naziherrschaft eingeführt und leider nie wieder aus dem Bergrecht rausgenommen worden, bedauert Rechtsanwalt Dirk Teßmer. Das müsste endlich geändert werden. Denn es sei den Bewohnern eigentlich nicht zuzumuten, ihre Heimat und ihr Hab und Gut zu verlieren, auch wenn sie dafür entschädigt werden.

Die Gelegenheit ergibt sich jetzt. Denn im Koalitionsvertrag von SPD, FDP und Grünen von 2021 ist der Plan verankert, das Bundesberggesetz zu ändern. »Das Bergrecht kennt die Klimakrise noch nicht«, begründet die Bundestagsabgeordnete Kathrin Henneberger (Grüne), warum das notwendig sei. Zwar gebe es ein Klimaschutzgesetz. Aber das habe eher symbolischen Wert. Henneberger nennt ein Beispiel: Ein Landwirt, der gegen den rheinischen Tagebau Garzweiler klagte, habe sich auf den Klimaschutz berufen. Doch das Gericht habe ihm beschieden, dafür gebe es keine rechtliche Grundlage. Henneberger ist überzeugt, dass die Wirtschaft die natürlichen Ressourcen nur noch schonend verbrauchen dürfte. »Kreislaufwirtschaft«, gibt sie das Stichwort. Noch vor der Sommerpause soll das Bundeswirtschaftsministerium Eckpunkte für ein modernes Berggesetz vorlegen. Das Gesetz soll dann 2024 den Bundestag passieren.

Auch im Brandenburger Koalitionsvertrag von SPD, CDU und Grünen von 2019 steht eine Passage zum Bergrecht, obwohl es sich dabei um Bundesrecht handelt. Die Koalitionspartner hatten sich geeinigt, auf eine Novellierung zu drängen. Brandenburg habe nicht nur die Braunkohletagebaue in der Lausitz, sondern es werde bei Mühlberg Kies abgebaut und bei Spremberg solle künftig Kupfer gefördert werden, erinnert die Landtagsabgeordnete Ricarda Budke (Grüne).

Zwar erklärte die Lausitzer Energie AG ihren Verzicht auf die neuen Tagebaue Jänschwalde-Nord und Welzow-Süd II. Es wird in Brandenburg also keine neue Kohlegrube mehr geben. Aber mit den Folgen alter Tagebaue werden die Anwohner noch Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte leben müssen. Das weiß Budke, weil immer mal wieder Schäden an Tagebauen auftreten, die schon seit Jahrzehnten stillgelegt sind. So rutschten am Helenesee bei Frankfurt (Oder) im März 2021 auf einer Breite von 27 Metern 500 Kubikmeter Ufer ab. Der See, der sich ab 1958 durch wieder aufsteigendes Grundwasser in einem Tagebaurestloch gebildet hatte, musste gesperrt werden, weil für Badegäste Lebensgefahr bestand.

Sicherungsleistungen für mögliche Schäden, die beispielsweise von der Lausitzer Energie AG zurückgelegt werden müssen, sind nicht »insolvenzfest«, bedauert Ricarda Budke. Bei einer Firmenpleite wäre das Geld weg. »Dann müsste der Steuerzahler einspringen«, beklagt die Abgeordnete. Hier sieht sie Änderungsbedarf. Ihr wäre außerdem an einer sogenannten Beweislastumkehr gelegen. Wenn etwa der Untergrund absackt und Risse an Fassaden entstehen, ist es für die Hausbesitzer schwer nachzuweisen, dass der Bergbau dafür verantwortlich sei und die Kosten zu übernehmen habe. Bei einer Beweislastumkehr müsste der Bergbau beweisen, dass er die Schäden nicht verursacht hat.

Die Landtagsfraktion der Grünen hat von Fachanwalt Teßmer ein Gutachten zu wünschenswerten Änderungen am Bergrecht schreiben lassen. Teßmer stellt am Mittwoch seine Ergebnisse vor. Das Bundesberggesetz ist 1982 in Kraft getreten. Vorher habe in der Bundesrepublik erstaunlicherweise noch ein uraltes preußisches Bergrecht gegolten, erläutert Teßmer. Das 1980 vom Bundestag beschlossene Berggesetz sei noch auf den Abbau von Rohstoffen ausgerichtet. Umweltbelange und die Interessen der Anwohner spielten ursprünglich keine Rolle. Das sei im Laufe der Zeit stückweise durch die Rechtsprechung ergänzt worden. Das habe jedoch dazu geführt, dass Rechtsanwälte und Richter allein mit dem Gesetzestext schon nicht mehr arbeiten können. Da brauche es einen »Annex«, also umfangreiche Kommentare.

Eine Neujustierung sei geboten, meint Teßmer. Er gibt dafür eine Stoßrichtung vor: »Keine Rohstoffförderung um jeden Preis.« Bodenschätze wie Gold und Silber, die im Erdreich schlummern, gehören übrigens nicht dem Grundstückseigentümer, sondern dem Staat. Der vergibt eine Konzession zur Förderung und erhebt dafür eine Abgabe. Dabei seien aber die Kosten des Bergbaus für die Allgemeinheit bisher nicht eingepreist, erklärt Teßmer. Bei Kies und Sand ist es anders. Die gehören erstens in der Regel dem Grundstückseigentümer und sind zweitens nicht vom Berggesetz erfasst. Teßmer hält es für sinnvoll, ein ohnehin neues Berggesetz auf alle Bodenschätze auszudehnen.

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