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Krawall mit Knall bei Hertha BSC vor dem Spiel beim 1. FC Köln

Der Berliner Fußball-Klub befindet sich nicht nur sportlich in einem »hochkritischen« Zustand

Herthas Hoffnungsträger: Trainer Dardai (r.) sieht keine Zukunft, Präsident Bernstein steht in der Kritik.
Herthas Hoffnungsträger: Trainer Dardai (r.) sieht keine Zukunft, Präsident Bernstein steht in der Kritik.

»Es war eine schöne Zeit.« Als Pal Dardai vor dem Auswärtsspiel beim 1. FC Köln an diesem Freitag auf seine erste Amtszeit als Trainer von Hertha BSC zurückblickte, sprach er zwischen den Zeilen von einer dunklen Zukunft. Und das ganz bewusst. Denn im Jetzt ist alles anders als beim ersten Abschied des Ungarn vor vier Jahren. »Wir haben Schulden abgebaut und ein schönes Profil für den Verein aufgebaut«, erinnerte sich Dardai – und verriet kein Geheimnis, als er sehr zurückhaltend die aktuellen finanziellen Verhältnisse beschrieb: »Geld haben wir nicht.«

Das Jahr 2019 markiert im Berliner Fußball einen Wendepunkt: Hertha BSC beendete die Bundesliga-Saison nach den Plätzen sieben, sechs und zehn in den Vorjahren auf Platz elf. Pal Dardai wurde nach viereinhalb Jahren aus dem Olympiastadion gejagt, der 1. FC Union stieg auf – und hängte die Alte Dame schnell ab. Vor knapp vier Wochen sagte Unions Präsident Dirk Zingler: »Wir haben bei uns in Berlin leider das übelste Beispiel vor der Haustür, was Investoren betrifft. Fußball wird dort zur Handelsware.«

Was als Angriff aus Köpenick missverstanden werden konnte, war eine Einordnung Zinglers über Wohl und Wehe von »Investoren im deutschen Fußball«. Eine zutreffende Zustandsbeschreibung der Charlottenburger Verhältnisse zudem. Das musste am Anfang dieser Woche auch der letzte Herthaner hinnehmen. Nach einem Bericht der »Süddeutschen Zeitung« über eine mögliche Lizenzverweigerung durch die Deutsche Fußball-Liga (DFL), räumte der Klub ein, darüber mit dem Ligaverband in Gesprächen zu sein. »Zu laufenden Prozessen und Spekulationen in den Medien« wollte sich Hertha BSC »aber nicht weiter äußern.« Wie dramatisch die Lage ist, lässt ein Zitat von einem mit diesem Prozess vertrauten DFL-Mitarbeiter erahnen: »Es ist der schlimmste Fall, den wir je hatten.«

Vielleicht redet Dardai deshalb über Themen, die nicht in seinen Verantwortungsbereich fallen. Als Trainer sagt er: »Es ist unsere Aufgabe, den Verein zu retten.« Den Glauben an sportliche Erfolge konnte er erneut entfachen. Beim 2:1 am vergangenen Wochenende gegen den VfB Stuttgart hat die Mannschaft viel von dem gezeigt, was im Abstiegskampf nötig ist. Weil dies aber der erste Dreier seit zehn Wochen war, stehen die Berliner noch immer am Tabellenende. Sollten sie am Freitagabend in Köln verlieren und die Konkurrenten aus Stuttgart und vom FC Schalke 04 gewinnen, stehen sie schon am Sonntag als erster Absteiger fest.

Doch darüber, ob sich Hertha BSC mit Dardai nach 2015 und 2021 ein drittes Mal retten kann, entscheiden diesmal nicht nur Siege und Niederlagen. Als »hochkritisch« bezeichnete der in der »SZ« nicht namentlich genannte DFL-Mitarbeiter die Lage des Klubs. Ohne die 100 Millionen Euro des neuen Investors 777 Partners hätte es dem Vernehmen nach keine Chance auf die Lizenz gegeben. Zeit, die grundsätzlichen Zweifel des Ligaverbands an der Finanzierung der kommenden Spielzeit auszuräumen, hat Hertha noch bis Anfang Juni. Zudem überprüft die DFL im Rahmen der 50+1-Regel, ob der Einstieg des neuen Investors überhaupt zulässig ist.

Vor allem der letzte Punkt kann die Charlottenburger ins Chaos stürzen. Die neue Vereinsführung um Präsident Kay Bernstein hatte Hertha – auch zur Freude Dardais – Demut statt Größenwahn verordnet. Die Rückkehr zu blau-weißen Werten und Wurzeln zog auch wieder deutlich mehr Fans ins Olympiastadion. Doch haben eben jene Hoffnungsträger auch den Vertrag mit dem neuen Investor ausgehandelt. Und so muss am Sonntag auf der Mitgliederversammlung über Abwahlanträge für das Präsidium und den Aufsichtsratsvorsitzenden abgestimmt werden.

Krawall mit einem Knall gab es schon vor der brisanten Veranstaltung. Am Donnerstagabend trat das langjährige Präsidiumsmitglied Ingmar Pering zurück – mit schweren Vorwürfen. »Viele Fehler und Pannen« warf er der neuen Vereinsführung vor. In die aktuell existenzgefährdende Situation wurde Hertha BSC jedoch vom ehemaligen Präsidenten Werner Gegenbauer und dessen Mitstreitern geführt. Zu denen gehört auch Pering, der bei der letzten Mitgliederversammlung die Wahl Bernsteins zum Präsidenten verhindern wollte. Die neue Führungsriege beschreibt er als »egoistische und auf persönliche Vorteile bedachte Machtmenschen« und sieht dort eine »versammelte Inkompetenz«.

Es deutet viel auf einen neuen Machtkampf hin. Das Ergebnis der Mitgliederversammlung wird aber nichts daran ändern, dass ohne Lizenz sogar der Absturz in den Amateurbereich droht. Eine schöne Zeit wird die Zukunft im Berliner Fußball-Westen erstmal nicht.

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