»How to Blow Up a Pipeline«: Bomben statt Kleber

Der Independent-Film »How to Blow Up a Pipeline« erzählt die fiktionale Geschichte einer Gruppe Öko-Terroristen in Texas

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 5 Min.
Sieht so eine terroristische Zelle aus? Drei Öko-Aktivisten (Marcus Scribner, Jake Weary, Ariela Barer) in »How to Blow Up a Pipeline«
Sieht so eine terroristische Zelle aus? Drei Öko-Aktivisten (Marcus Scribner, Jake Weary, Ariela Barer) in »How to Blow Up a Pipeline«

Könnte es eines Tages tatsächlich einen Klimaterrorismus geben? Gerade von konservativer und rechter Seite wird ein derartiges Szenario seit einiger Zeit immer wieder beschworen. 2022 wurde der Begriff sogar zum »Unwort des Jahres« gekürt. Deutsche Politiker, wie unlängst der CSU-Bundestagsabgeordnete Alexander Dobrindt als Fernsehgast bei Maybrit Illner, berufen sich dabei gerne auf den Klimaaktivisten Tadzio Müller. Der hat Ende 2021 in einem »Spiegel«-Interview unter anderem gesagt: »Wer Klimaschutz verhindert, schafft die grüne RAF« – was er schon kurze Zeit später bereute und um die Worte ergänzte: »Die Klimabewegung (würde) nie Menschen angreifen.«

Damit trifft Müller den Kern des jetzt in den Kinos anlaufenden Independent-Films »How to Blow Up a Pipeline«, der die fiktionale Geschichte einer achtköpfigen Gruppe junger Menschen erzählt, die in Texas eine Ölpipeline in die Luft jagen. Denn hier geht es ausschließlich um Sachbeschädigung oder um die Zerstörung vom Eigentum jener, die »am Massensterben profitieren«, wie es im Film mehrmals kämpferisch heißt.

Inspiriert wurde der Film des Regisseurs Daniel Goldhaber vom gleichnamigen Manifest des schwedischen Klimaaktivisten Andreas Malm, das 2020 bei seinem Erscheinen hierzulande kaum wahrgenommen worden war, aber vergangenen Sommer im Zuge der Debatten um einen drohenden Klimaterrorismus breit durch die Journaille gejagt wurde.

Der gut eineinhalbstündige Thriller ist natürlich keine direkte Umsetzung des Theorietextes, verwebt aber geschickt zahlreiche Gedankengänge, Widerstandspraktiken und Motive, die in dem 200-seitigen Manifest eine Rolle spielen, zu einem wirklich bis zur letzten Minute spannenden Film, der dabei ein kleines Panorama bewegungspolitischer Akteure der Generation Z in den USA auffächert. Die Buchvorlage könnte durchaus als Äquivalent des von zahlreichen Vertretern der Krisenproteste rezipierten Theorietextes »Der kommende Aufstand« (2007) für die Klimabewegung durchgehen. Der 1977 geborene Andreas Malm, der zuletzt wegen seiner Unterstützung für die BDS-Kampagne in der Kritik stand, gibt in seinem Buch einen konzisen Überblick der klimapolitischen Bewegung der vergangenen Jahre und fragt nach, warum es in diesem Bereich eigentlich keine militante Fraktion gibt.

Dabei schreibt er explizit gegen den strategischen Pazifismus von Extinction Rebellion an. Egal, ob es der Kampf gegen die Sklaverei in den USA, der Feminismus oder der Kampf gegen die Apartheid in Südafrika ist – das alles funktionierte nur mithilfe von Militanz, so Malm, der dabei die gängigen historischen Referenzen von Extinction Rebellion in Sachen Pazifismus einer kritischen Revision unterzieht. Erst dadurch wäre politischer Druck aufgebaut worden. Außerdem, so Malm, gebe es eine breite historische Praxis von Anschlägen auf Ölpipelines von Indien über Nahost bis Kolumbien. Wobei die nie aus klimapolitischen Gründen verübt worden seien. Aber könnte es solche Anschläge auch geben, um die weiter in Ausbau befindliche fossile Infrastruktur anzugreifen? Genau hier setzt der Film an, der ein solches Szenario durchspielt. In der texanischen Wüste treffen dabei acht sehr unterschiedliche Akteure aufeinander, die einen ausgeklügelten Plan verfolgen, um die Ölpipeline eines Energiekonzerns mit Sprengstoffanschlägen zu beschädigen, ohne dabei eine Umwelthavarie zu riskieren.

Mit dabei sind die Jugendfreundinnen Theo (Sasha Lane) und Xochitl (Ariela Barer), die in unmittelbarer Nähe einer Raffinerie aufgewachsen sind, die bei der Beerdigung der Mutter zu Beginn des Films als drohende Kulisse hinter der Vorstadtidylle im kalifornischen Long Beach zu sehen ist. Sie begleitet Theos Geliebte Alisha (Jayme Lawson), die sich in einer kommunalen Suppenküche engagiert und in den Häusern reicher Leute putzt. Der indigene Michael (Forrest Goodluck) hat es satt, das Umweltprojekt seiner Mutter zu unterstützen, während Ölfirmen an seinem Wohnort in North Dakota das Land zerstören. Der junge Shawn (Marcus Scribner) will nicht mehr als Dokumentarfilme über Enteignungsopfer der Ölindustrie drehen. Und dem frustrierten texanischen Farmer Dwayne (Jake Weary), den er bei einem Dreh trifft, wurde ein Stück seines Landes enteignet. Zu dieser Truppe gesellen sich noch Rowan (Kristine Froseth) und Logan (Lukas Gage), die in der Linke-Szene-Hochburg Portland bereits an militanten Aktionen der Klimabewegung teilgenommen und Probleme mit Polizei und FBI bekommen haben.

Diese acht sehr unterschiedlichen Charaktere, deren Geschichten anhand von ineinander geschobenen Rückblenden erzählt werden, verüben gemeinsam den Anschlag. Was ist ihre Motivation? Wie kam es zu ihrer Radikalisierung? Alle haben etwas verloren: ihre Gesundheit, Angehörige, Land oder Eigenständigkeit. Die acht diskutieren immer wieder. Aber das hat nichts langweilig Didaktisches, um das zugrundeliegende Manifest filmisch umzusetzen, da sich die Figuren im Streit die Argumente auch mal gegenseitig ins Gesicht schreien.

Der geplante Anschlag ist im Gegensatz zum hollywoodesken Actionkino kein High-Tech-Unternehmen, sondern harte Arbeit mit viel Improvisation. Ausrangierte Airbags werden aufgesägt, um ein bestimmtes Metall daraus zu gewinnen. Beim nicht gerade professionell wirkenden Zusammenrühren des Sprengstoffs in einem verdreckten Schuppen geht dann auch was hoch. Und als die Gruppe die Sprengsätze in Form riesiger, schwerer Metallfässer an der Pipeline anbringen will, geht jede Menge schief. Dass den acht militanten Klimakämpfern auch noch das FBI im Nacken sitzt, innerhalb der Gruppe nicht alles rund läuft und Misstrauen aufkommt, macht das Ganze nicht einfacher. Wobei sich am Ende die Ereignisse überschlagen und der Film mit einer verblüffenden Wendung aufwartet.

»How to Blow Up a Pipeline« entwickelt unspektakulär, aber eindringlich die Ikonografie eines möglichen militanten und widerständigen Klimaaktivismus, der, wie eingangs erwähnt, keine Menschen angreift, sondern sich auf die Zerstörung von Eigentum beschränkt. So zumindest die Idee. Als ganz am Ende das Bekennervideo der Gruppe online geht und die junge Xochitl erklärt, dass dieser Anschlag ein »Akt der Selbstverteidigung« ist, erinnert das in Sound und Duktus an Bernardine Dohrns »A Declaration of a State of War« (1970), dem ersten Communique des Weather Underground.

Völlig fiktional ist die Geschichte der Anti-Pipeline-Aktivisten des Films insofern nicht, als sie zumindest indirekt Bezug nimmt auf die in Malms Manifest ebenfalls erwähnte Anschlagserie der zwei katholischen Gewerkschafterinnen Jessica Reznicek (39) und Ruby Montoya (31) aus Iowa, die jahrelang eine Ölpipeline sabotierten, sich schließlich selbst anzeigten und derzeit langjährige Haftstrafen in US-amerikanischen Bundesgefängnissen absitzen. Dass sich aber wirklich eine derartig militante Strömung, wie in dem Film angedeutet, entwickeln könnte, ist mehr als fraglich.

»How to Blow Up a Pipeline«: USA 2022. Regie: Daniel Goldhaber, Drehbuch: Daniel Goldhaber, Ariela Barer, Jordan Sjol. Mit Ariela Barer, Kristine Frøseth, Lukas Gage. 104 Minuten. Starttermin: 8. Juni

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