Arlo Parks: Halten und gehalten werden

Gleitend und unheimlich weich: »My Soft Machine«, das neue Album von Arlo Parks

  • Benjamin Moldenhauer
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Geschichten und Zustände, von denen die britische Sängerin Arlo Parks singt, sind dauerintensiv. »Charlie drank it till his eyes burned / Then forgot to eat his lunch / Pain was built into his body / Heart so soft it hurt to beat«. Charlie musste im Song »Hurt«, einem der vielen schönen Lieder auf Parks’ Debütalbum »Collapsed in Sunbeams« fürchterlich leiden. »Charlie melts into his mattress / Watching Twin Peaks on his ones / Then his fingers find the bottle / When he starts to miss his mum«. Immer wieder Sehnsucht, bei gleichzeitigem Drang, sich nicht aufzulösen im Anderen, oder was man sonst so für Angstvorstellungen mitbringt, wenn es in den Nahkontakt geht. »Verletzlichkeit oder Bedenken auf gesunde Weise zum Ausdruck zu bringen, ›Ich liebe dich‹ zu sagen, oder ›Das hat mir wehgetan‹ – all das ist sehr schwierig«, hat Arlo Parks in einem Interview mit dem Magazin »Coup de Main« erzählt. »Es ist, als würde man schwache Stellen in der eigenen Rüstung zeigen.«

Das ist nun alles nichts Neues oder auch als Wissen über Liebes- und Freundschaftsbeziehungen und alles dazwischen nicht überraschend. Aber große Erkenntnisse sind das andererseits dann schon – wenn man das verinnerlicht, also spürt, und dafür gibt es dann unter anderem die Musik. In diesem Fall eine, die die Rüstung perforieren will. Der Sound von »My Soft Machine«, der Titel verspricht nicht zu viel, gleitend und unheimlich weich.

Plattenbau
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Arlo Parks’ neues Album geht los mit dem kurzen Stück, »Bruiseless«, knapp über eine Minute lang. Die Instrumente werden sozusagen offengelegt: Texte, die so wirken, als würden sie nichts zurückhalten und das wohl auch tatsächlich, so weit es eben geht, nicht tun (»I wish I was bruiseless / Almost everyone that I love has been abused / and I am included«) sind eingebettet in eine supersanfte, jazzige Indiefolk-Singer/Songwriter-Lounge-R&B-Melange.

Arlo Parks nennt Erykah Badu als eines ihrer musikalischen Vorbilder, und hinsichtlich der Lyrics Sylvia Plath, James Baldwin und Ezra Pound. Damit sind die Koordinaten, in denen Klang und Text hier bewegt werden, schon sehr genau beschrieben. Die Musik ein klangliches Wattemeer, das immer wieder kurz vorm Seichtwerden die Abbiegung nimmt. Und auf diesem Meer kommen dann dunkle Geschichten und Unaufgearbeitetes angefahren. Von ersten Irritationsmomenten (»There are sandflies in the champagne«) bis zum Meltdown (»Ghosting me hard for a kick / Blowing me up when you need it / My wings are clipped and my head’s in bits«).

In »Pegasus«, einem Duett mit Phoebe Bridgers, fließt das, was die Musik von Arlo Parks ausmacht, besonders schön zusammen. Ein einhüllender Schlaflied-Loop, dann ein angedeuteter Breakbeat und zwei Stimmen, die ihre Präsenz aus der Ruhe heraus entfalten. Während im Song auf einer anderen Ebene wieder Aufruhr ist: »I spun ’round and screamed / ›I feel elated when you hold me‹ / Then you got shy and beamed / ›I think it’s special that you told me‹«.

Halten, gehalten werden, Kopf über Wasser und das Herz trotzdem offen – wenn das klappt, scheint in der Musik von Arlo Parks immer wieder Glück auf, auch wieder an der Kante gelagert allerdings: »Blood on your fleece / Grippin’ the cup and gettin’ sick in the streets / Never felt luckier / Than I do right now / under the stars you trust in me«.

Arlo Parks: »My Soft Machine« (Pias/Transgressive/Rough Trade)

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